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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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Entsetzen, welches er in meinen
Augen sah.
    „Dieser Tag ist der Beste seit langem“, lachte er.
    Ich fühlte mich noch immer benebelt und bemerkte
erst jetzt die Fesseln an meinen Händen. Ich wusste nicht, wen ich vor mir
hatte, aber dieser Mann war offensichtlich gefährlich, und düster erinnerte ich
mich daran, was in der letzten Nacht geschehen war. Man hatte mich in eine
Falle gelockt, mich entführt und anscheinend in das gegnerische Lager gebracht.
Hatte ich in der Betäubung meinen Namen verraten? Hoffentlich nicht.
    „Was wollt Ihr von mir?“, sagte ich. „Ich weiß
nicht, wovon Ihr sprecht. Man nennt mich Shao-Ma. Und was diesen Kaiser
Shenzong anbelangt, so haben seine Frauen, soweit ich weiß, ein ganz anderes
Aussehen, als ich“, sagte ich und deutete auf meine Füße. „Sehen so etwas die
Füße einer kaiserlichen Frau aus?“
    „Da gebe ich Euch Recht“, lachte er kalt. „Aber
ich hatte Shenzong mit keinem Namen erwähnt. Seltsam, dass Ihr wisst, von wem
ich sprach. Ich jedenfalls kenne Euch. Ihr wart ja schon fast eine Berühmtheit
mit Euren Füßen und Eurem Freiheitsdrang. Ihr erinnert Euch nicht an mich, aber
ich erinnere mich an Euch! ‚Großfuß‘ hatte man Euch genannt. Das war nicht
nett, aber es traf doch die Wahrheit sehr genau, nicht wahr?“
    Ich zitterte. Wer war dieser Mann? Es war noch zu
dunkel, um ihn wirklich zu erkennen.
    „Ich sehe schon, wir werden eine Menge Spaß haben,
bis ich Euch Bao zurückgebe. Ich habe noch eine kleine Rechnung mit ihm offen
und es wird mir eine Freude sein, Euch eine größere Rolle in diesem Schauspiel
zukommen zu lassen. Aber erst einmal sollten wir Kaiser Shenzongs Trauer
beenden und ihn in Kenntnis setzen, dass Ihr noch am Leben seid. Wie ich hörte,
trauert man um Euch, seit Ihr vor einem halben Jahr für tot erklärt wurdet.“
    Erstaunt, aber zugleich vorsichtig sah ich ihn an.
Woher hatte er all diese Informationen? Ihn hinters Licht zu führen hatte
offensichtlich nicht funktioniert, also versuchte ich es anders.
    „Bitte, ich flehe Euch an! Sagt dem Kaiser nichts.
Ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber schlagt mir diese Bitte nicht ab. Es würde
an meiner Situation nichts ändern.“
    „Aber an meiner Situation, Weib!“
    Die Sonne ging langsam auf, und ich sah die harten
Gesichtszüge des Mannes. Jetzt, da es hell genug war, erkannte ich ihn.
    „Ich erinnere mich an Euch!“, flüsterte ich. „Ihr
wurdet vom Hofe verbannt!“
    Kejian schlug mir ins Gesicht: „Ich bin freiwillig
gegangen, nachdem Euer Bao mir all meine Ehre genommen hatte! Wie könnt Ihr
behaupten, man habe mich verbannt?“ Er wurde sehr wütend und schlug ein
weiteres Mal zu. „Ich muss mich nun um Wichtigeres kümmern“, zischte er und
winkte Männer herbei, die mich in ein anderes Zelt brachten.
     
    ***
     
    Dieses Weibsbild! Was bildete sie sich ein!
    Als Kejian alleine war, griff er nach seinem
Schreibpinsel und verfasste einen Brief, den er per Eilboten nach Qin schickte.
Es war höchste Zeit, ein bisschen Leben in diese Angelegenheit zu bringen.

33    DIE INTRIGE NIMMT
IHREN LAUF
     
    Qin, 6. Mondmonat 1076
     
    „Ihr möchtet sofort vor den Kaiser treten!“
    Wang Anshi sah von seinem Brief auf, den er gerade
an Bao verfasste, und erblickte die kaiserliche Wache. Eigentlich hätte er die
Zeilen gerne zu Ende gebracht, doch das „sofort“ hatte nicht wie eine Bitte
geklungen, sondern wie ein unangenehmer Vorbote schlechter Nachrichten. Er
legte sein Schreibzeug nieder, verschloss den Tintenkrug und erhob sich. Die
Wache trat hinter ihn und er fühlte sich seltsam schuldig, obwohl er sich
keiner Schuld bewusst war.
    Als er vor den Kaiser trat, fand er diesen
flankiert von Ministern vor, die ihn alle anstarrten, als sei er der gefährlichste
Verbrecher des Landes. Was ging hier vor sich?
    Shenzong hatte ein wutverzerrtes Gesicht und sein
malmender Kiefer verhieß nichts Gutes.
    Wang Anshi trat vor und verneigte sich. „Mein Kaiser“,
sagte er, während er das Gesicht zu Boden gerichtet hatte. „Ihr habt mich rufen
lassen.“
    „Ich bin außer mir, Kanzler, und ich hoffe, Ihr
könnt Licht in diese Angelegenheit bringen.“ Shenzong hielt ein Blatt
Papier in seine Richtung.
    „Vielleicht mag mein Kaiser mir sagen, um was es
sich handelt, denn ich muss gestehen, dass ich nicht weiß, wovon gerade die
Rede ist.“
    „Wollt Ihr bestreiten, dass Ihr nicht wusstet,
dass meine Frau noch lebt?“
    Wang Anshi verstand noch immer nicht, wovon

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