Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Flammen des Kamins. Li-Sawing erhielt stattdessen einen
Brief, den sein eigener Kanzler verfasst hatte.
„Ein Antwortschreiben eines gewissen Bao Sen-Ho.“
Kejian überbrachte das Papier. „Lest selbst, mein Kaiser. Er lehnt ein Treffen
ab und beleidigt Euch in unangemessener Weise. – Ich mag die Worte nicht
wiederholen, die meine Augen lesen müssen!“
„Wieso tut er das?“, fragte sich Li Sawing.
„Die Song waren schon immer ein hinterhältiges
Volk!“, behauptete Kejian. „Glaubt mir, ich stand in ihren Diensten, wie Ihr
wisst. Das war der Grund, warum Euer Vorgänger mir so großes Vertrauen
geschenkt hat. Ich habe es am eigenen Leib erfahren müssen und ich weiß, dass
Shenzong alleiniger Herrscher über ein vereintes China sein will. Ebenso weiß
ich, dass er keinen weiteren Herrscher neben sich dulden wird. Zieht Eure Armee
zusammen“, drängte er ihn. „Ihr seid in der Überzahl! Ihr werdet einen
schnellen Sieg erzielen, wenn Ihr mich nur machen lasst!“
Der Kaiser dachte nach. „Ich will keinen Krieg“,
sagte er, „aber es scheint unvermeidbar! Ihr wart der Vertraute meines Onkels,
Mi Kejian. Nehmt die Dinge in die Hand. Ihr habt meine Erlaubnis, zum Wohle des
Volkes zu handeln!“
Kejian verneigte sich und zog sich zurück. Er
lächelte in sich hinein. Bao würde seine Hochnäsigkeit schon sehr bald bereuen.
22 Die Hoffnung stirbt
zuletzt
Qin, Sommer 1075
Die Übelkeit hatte nicht aufhören wollen und ich
verspürte gleichzeitig einen größeren Hunger als gewöhnlich. Erst hatte ich es
auf die viele frische Luft zurückgeführt, die ich nach dem Winter auf dem
Rücken der Pferde bekam. Doch das Reiten musste ich bald aufgeben, weil mir
regelmäßig schlecht wurde. Die permanente Übelkeit ließ zwar nach einiger Zeit
nach, aber sie kehrte immer wieder in Form von heftigen Brechanfällen zurück,
wenn ich nicht rechtzeitig etwas zu Essen fand.
„Kind, was ist mit dir? Ich habe gehört, du
reitest nicht mehr aus?“ Cheng-Si war offenbar auf meine Übelkeit aufmerksam
geworden und hatte mich in meiner Wohnung besucht.
„Ja, Mutter. Mir ist in letzter Zeit sehr oft
schlecht.“
Cheng-Si hob ihre Augenbrauen und blickte mich prüfend
an. Ich bot wahrscheinlich noch den gleichen Anblick, der sich mir heute Morgen
in der polierten Silberplatte gezeigt hatte: Blass mit roten Augenrändern und
mein Gesicht dünn wie das einer Ziege. Das ständige Übergeben war anstrengend
und ich hatte einiges an Gewicht verloren.
Cheng-Si aber starrte nicht in mein Gesicht.
Ich folgte ihrem Blick. Sie sah auf meine Brust,
die in letzter Zeit auf wundersame Weise zu wachsen schien.
„Das kann doch nicht wahr sein“, flüsterte die
Alte und nahm meine Hand in die ihre. „Wann hattest du das letzte Mal deine
Blutungen?“, wollte sie wissen.
Erstaunt sah ich sie an, dachte aber nach und
bekam immer größere Augen. „Drei Vollmonde sind vergangen“, flüsterte ich
entsetzt und hatte plötzlich das Bedürfnis, meinen Bauch zu halten. „Mutter,
was bedeutet das?“
Cheng-Si seufzte. „Kind, das weißt du doch selbst
am besten! Du bist schwanger!“ Sie stand auf und lief nervös im Raum auf und
ab. „Drei Vollmonde. Das ist zu spät, um dich zum Kaiser zu führen. Es würde
auffallen!“
„Was würde auffallen?“ In meinem Kopf rasten die
Gedanken. Ich würde ein Kind bekommen. Von Bao!
„Eine Sechsmonats-Geburt fällt immer auf! Verstehst
du das nicht?“ Cheng-Si musste sich offenbar zügeln, nicht zu schreien.
Daran hatte ich nicht gedacht und wurde blass. Wie
konnte ich dem Kaiser glaubhaft machen, es wäre sein Kind, wenn ich seit
Monaten nicht mehr das Bett mit ihm geteilt hatte? „Was soll ich jetzt tun?“,
flüsterte ich und versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken.
Cheng-Si dachte nach. „Wir können es nicht mehr
wegmachen. Das Kind ist schon zu alt und die Wahrscheinlichkeit, dass du
ebenfalls stirbst, ist sehr groß.“ Sie überlegte weiter. „Vielleicht können wir
dich verstecken, bis das Kind da ist.“
„Und wenn es dann da ist?“ Mit einem Mal hatte ich
einen fahlen Geschmack im Mund.
„Dann geben wir es einer anderen Frau!“
„Wie könnt Ihr es wagen?“, presste ich zunächst
leise hervor, wurde dann aber immer lauter. „Nie würde ich es erlauben!“,
schrie ich hysterisch.
Cheng-Si rannte auf mich zu und rüttelte mich.
„Still“, befahl sie, doch ich konnte und wollte mich nicht beruhigen. Da gab
sie mir eine
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