Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Ohrfeige. „Halt den Mund! Die Leute werden noch aufmerksam auf
uns!“
Abrupt verfiel ich in Schweigen. Noch nie war ich
von Cheng-Si geschlagen worden. Geschockt setzte ich mich hin und starrte sie
an.
„Was glaubst du, ist deine Alternative, wenn das
hier herauskommt?“ Cheng-Si machte eine kleine Pause bevor sie fortfuhr. „Sie
werden dich töten! Und das Kind ebenfalls! Ist dir das nicht klar?“
Still weinte ich vor mich hin. Natürlich wusste
ich das – irgendwo in meinem Kopf; aber ich wollte es nicht wahrhaben. Trauer
überkam mich. Niemals würde ich Bao sein Kind zeigen können und ein Leben mit
diesem kleinen Menschen war mir auch verwehrt. „Was soll ich also tun?“, fragte
ich in meine Hände, die ich schützend vor mein Gesicht hielt.
„Täusche eine Krankheit vor und bleibe hier.
Niemand – NIEMAND – darf wissen, dass du ein Kind erwartest. Sie alle wissen,
dass der Kaiser nicht der Vater sein kann!“
Als Cheng-Si mich schließlich verließ, hatten wir
einen detaillierten Plan ausgearbeitet. Für die erste Zeit konnte man den Bauch
noch unter den Gewändern verstecken, wenn man es nicht darauf anlegte, die
Schwangerschaft zur Schau zu stellen, wie Shinlan es immer getan hatte. Diese
war stets stolz gewesen, ein ums andere Mal kugelrund zu werden. Es brach mir
beinahe das Herz, dass ich mein Glück nicht ebenfalls kundtun durfte.
Ausgerechnet Shinlan war es, die wenige Wochen später
eine Neuigkeit bekannt gab. „Im Frühling wird der Kaiser erneut Vater werden!“
Eine Hitzewelle überkam mich und mein Puls raste.
War ich etwa entdeckt worden? Woher konnte Shinlan das wissen?
Mit großer Willenskraft widerstand ich dem Wunsch,
meinen Bauch zu schützen. Ängstlich suchte ich Augenkontakt zu Cheng-Si, die
aber beinahe unmerklich den Kopf schüttelte. „Mach dir keine Gedanken und höre
zu!“, schienen ihre Augen zu antworten.
Shinlan fuhr auch schon fort. Sie zeigte ein
fröhliches Lächeln und reckte ihren Bauch nach vorne. „Da drin“, deutete sie
auf die unsichtbare Wölbung, „wächst ein neues Kaiserlein.“
Alle lachten herzlich – und ich vor tiefer
Erleichterung. Ich musste mich setzen, sonst wäre ich mit Sicherheit zusammengebrochen.
Was für ein Glück! Jetzt würden sich alle um Shinlan kümmern und niemandem
würden die Veränderungen an mir auffallen.
Wie ich mich täuschte! Shinlan war zu oft
schwanger gewesen, als dass sie eine andere werdende Mutter nicht erkennen
würde. Wie Cheng-Si kannte auch sie die Zeichen einer Schwangerschaft, hatte
sie diese doch mehrmals an sich selbst erfahren.
„Wie lange willst du es noch verheimlichen?“,
fragte sie mich, als wir unter uns waren.
Ich arbeitete gerade an einer Stickerei und stach
mir vor Schreck beinahe in den Finger.
„Was meinst du?“, versuchte ich mich unbeteiligt
zu geben.
„Du weißt sehr wohl, was ich meine. Ich kann es sehen.
Du hast dich verändert und ich kenne diese Veränderungen. Mir kannst du nichts
vormachen.“
Noch immer versuchte ich, meine Tarnung aufrecht
zu erhalten und blickte wie beiläufig von meiner Handarbeit auf. „Ich weiß
nicht, wovon du sprichst!“
Shinlan deutete auf meine Unterarme. „Hier, man sieht
verstärkt deine Adern. Ich weiß nicht warum, aber wenn ein Kind im Bauch
wächst, dann scheint mehr Blut zu fließen. Überall am Körper sieht man
plötzlich dunkle Venen. Vor allem am Busen.“
Unbewusst verschränkte ich meine Arme vor der
Brust.
„Und hier“, fuhr Shinlan fort. „Dein Gesicht ist
etwas runder. Man merkt es kaum, aber du strahlst, als hättest du eine Sonne in
deinem Bauch. Man sieht gleichzeitig aus, als wäre man so klar wie ein
Bergbach.“
Ich spürte die prüfenden Blicke Shinlans und
fühlte mich zunehmend unwohler. Meine Gedanken rasten und ich suchte nach einem
Ausweg. In meiner aufkommenden Panik wählte ich den falschen Weg und gab
Shinlan – ohne es zu wollen – einen entscheidenden Hinweis. „Wie kann ich
schwanger sein, wenn ich seit Monaten nicht mehr beim Kaiser gelegen habe.“
Shinlan starrte mich an, starrte auf meinen Bauch,
dann wieder in mein Gesicht, wurde blass und presste schließlich ein „Das ist
dein Untergang“ heraus.
Ich schluckte laut und wandte mich wieder meiner
Stickerei zu.
Shinlan rang offensichtlich mit sich und war sich
nicht sicher, ob sie ihre Gedanken aussprechen wollte. Schließlich, nach ein
paar Minuten des gemeinsamen Schweigens, legte sie ihre Hand auf meinen Arm.
„Du musst
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