Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
Vom Netzwerk:
etwas tun, Min-Tao! Du musst dich dringend zum Kaiser legen!“
    Nun konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Dazu ist es zu spät! Ich habe seit sechs Vollmonden keine Blutungen mehr
gehabt.“
    „Seit sechs Vollmonden? Dann wirst du einen Jungen
bekommen!“
    Überrascht sah ich sie an. „Wie kommst du darauf?“
    „Du siehst nicht aus wie ein Hefekuchen!“
    Ich verstand nicht, was sie damit meinte, musste
aber bei diesem Vergleich kurz auflachen, bevor ich wieder ernst wurde.
    „Das Wissen der alten Frauen ist sehr groß“, sagte
Shinlan, „und unterscheidet sich sehr von dem, was die Ärzte sagen. Glaub mir,
ich habe schon viel gehört, was Männer meinen, über eine Schwangerschaft zu
wissen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, das wird auch immer so bleiben.
Wie soll ein Mann auch wissen, wie man sich fühlt, wenn er es nicht am eigenen
Leib erforschen kann?“ Sie sah mir ernst in die Augen. „Glaub mir, du bekommst
einen Sohn, aber du wirst das nicht mehr lange verbergen können.“
    Ich wollte Cheng-Si nicht verraten und behielt für
mich, dass ich bereits eine Verbündete hatte und einen Plan. Bis zur Geburt
würde ich in meinen Gemächern bleiben. Was dann käme, würden wir sehen. Doch
bis dahin hatte ich ja noch ein wenig Zeit.
     
    Niemand schöpfte Verdacht. Shinlan hatte meine
Schwangerschaft für sich behalten und konzentrierte sich auf ihre eigene.
Diesmal war es nicht so einfach wie die letzten Male. Sie war stets müde und
fühlte sich sehr schwer. Ihre Bewegungen waren die einer alten Frau und
manchmal sprach sie von stechenden Schmerzen unterhalb der Rippen. Die Hebamme
des Hofes wich nicht mehr von ihrer Seite und allmählich machten wir uns Sorgen
um Shinlan.
     
    ***
     
    Im Spätsommer, als Shinlan die Hälfte ihrer
fünften Schwangerschaft hinter sich gebracht hatte, bekam sie plötzlich hohes
Fieber. Man hatte sie in ihr Quartier gebracht, und dort lag sie
schmerzverzerrt in ihrem Bett. Cheng-Si war bei ihr.
    „Mutter, ich habe starke Schmerzen. Irgendetwas
stimmt nicht“, flüsterte sie.
    „Hab Mut, mein Kind! Es wird schon alles gut werden.“
Cheng-Si drückte liebevoll ihre Hand.
    Die Hebamme trat aus dem Hintergrund ans Bett und
begann mit ihren Untersuchungen. Routiniert tastete sie den gewölbten Bauch ab,
fühlte den Puls und sah sich Shinlans Augen an.
    „Mutter, mir ist kalt!“, klapperte Shinlan mit den
Zähnen, obwohl ihr Körper zu glühen schien.
    Cheng-Si holte weitere Decken aus einer der Kleidertruhen.
    Vor dem Haus hatten sich die anderen Frauen versammelt.
Sie machten sich große Sorgen um ihre Schwester. Shinlan war stets ein so
positiver und fröhlicher Mensch, dass es schon unheimlich war, sie so
geschwächt und schmerzerfüllt zu sehen.
    „Sie hätte nach der letzten Schwangerschaft eine
längere Pause gebraucht!“, vermutete die eine.
    „Es gibt schließlich Mittel, so etwas zu
verhindern!“, bemerkte Su-Ling, die sich seit Jahren erfolgreich vor einer
Empfängnis schützte.
    „Sie liebt eben Kinder“, wusste eine andere und
das war die Wahrheit. Shinlan ging in ihrer Mutterrolle auf und sah es als Ehre
an, dem Kaiser so viele Kinder wie möglich zu gebären.
    Die Frauen lenkten sich mit ihren Vermutungen gegenseitig
von ihrer Angst um Shinlan ab.
    Die Kranke verfiel nach Tagen hohen Fiebers schließlich
in Halluzinationen. Sie redete viele unverständliche Worte, aus denen man
erahnen konnte, dass sie glaubte, ein Kind zu sein. Die Hebamme seufzte, als
sie wieder einmal das Fieber kontrolliert und den Bauch untersucht hatte.
Cheng-Si, die in der ganzen Zeit nicht von ihrer Seite gewichen war, wusste
dieses Seufzen sehr gut zu deuten. „Mit dem Kind stimmt etwas nicht, nicht
wahr?“
    Die Hebamme nickte. „Der Bauch wird immer härter.
Ich fürchte, das Kind lebt nicht mehr.“
    Cheng-Si keuchte: „Und das heißt?“
    „Das heißt, Shinlans Körper wird von innen heraus
vergiftet“, antwortete die Hebamme.
    Cheng-Si war geschockt. „Kann man es herausholen?“
    Die Hebamme nickte. „Ja, aber ich kann nicht
garantieren, ob sie“ – mit dem Kopf nickte sie in Shinlans Richtung – „das
überlebt.“
    Cheng-Si überlegte eine Weile, dann hatte sie
einen Entschluss gefasst. „Tut alles, was Ihr könnt. Ihr habt meine Erlaubnis!“
    Die Hebamme nickte und ging in ihr Quartier. Mit einer
Kräutermischung, die seit Generationen ein Geheimnis ihrer Zunft war, kam sie
wieder zurück. In einem Holzgefäß stampfte sie die

Weitere Kostenlose Bücher