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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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Abzug entsetzlich schlecht. Ich
hatte diese fürchterliche Übelkeit unterdrücken können, bis ich in meinen
Räumen war. Dort hatte ich nach dem nächstbesten Behälter gegriffen, mich
übergeben und mich danach weinend auf meine Schlafstelle gelegt.
    Er war gegangen und ich wusste nicht, ob ich ihn jemals
wieder sehen würde.

Teil V – KÄMPFE AN VERSCHIEDENEN
FRONTEN
     
    21    Li Sawing
     
     
    Shaogqing, Frühling 1075
     
    „Shenzong plant einen Angriff!“
    Li Sawing sah von einem Brief auf, der ihm vor wenigen
Minuten überbracht worden war. Sein langjähriger Spion im Osten hatte ihn über
die neuesten Entwicklungen informiert und Sawing war alles anderes als erfreut
über diese Nachricht. „Und das jetzt , nach all den Problemen, die unsere
Familie zu ertragen hatte!“, stieß er verzweifelt aus. Die vergangenen Monate
waren die entsetzlichsten in Li Sawings Leben gewesen.
     
    Schon während der letzten fünfzig Jahre hatte es
das Schicksal nicht gut mit den Tanguten gemeint. Dabei hatte alles so
vielversprechend begonnen! Sein Vorfahre Li Jiqian hatte die Vision eines
unabhängigen und florierenden Landes gehabt. Er wollte von Liao, dem nördlichen
Nachbarn der Song, unabhängig sein. Durch eine Heirat mit einer Liao-Tochter
hatte er gedacht, einer Unabhängigkeit näher zu kommen, denn den Feind in den
eigenen Reihen würde man vielleicht nicht so schnell erkennen.
     
    Heute wusste Li Sawing, dass sich sein Ahne geirrt
hatte, denn die Rechnung war nicht aufgegangen. Sie endete für ihn tödlich,
denn er hatte im Kampf um die Stadt Liangzhou sein Leben lassen müssen.
    Obwohl das Land unter der Herrschaft seiner Nachfolger
Li Deming und Li Yuanhao einen Aufschwung erlebte und das Land wirtschaftlich
und politisch an Einfluss gewann, so gingen sie schließlich ihrem Untergang
entgegen, als Li Yuanhao völlig verblendet gegen den großen Nachbarn Song
aufbegehrte. Er hatte die Vision seines Großvaters verwirklichen wollen, hatte
Xia zu einem unabhängigen Staat mit eigenem Kaiser ausgerufen, womit er den Chu – eine Art Kanzler – von Liao vor den Kopf stieß, der wiederum als solcher
Verbündeter der Song war. Zhenzong wollte dem Tanguten-Herrscher aber ebenfalls
nur den Titel Chu zugestehen. Voller Zorn zog Li Yuanhao gegen Liao in
einen sinnlosen Krieg, in dem seine Armee niedergemetzelt und von
hunderttausend auf weniger als zweitausend Mann dezimiert wurde.
    Song als Verbundstärkster stellte die Tanguten,
und damit Li Yuanhao, unter hohe Tributzahlungen, die das Land nur unter großen
Anstrengungen zahlen konnte. Die Alternative, abzudanken, und so dem Land
Frieden zu geben, lehnte Li Yuanhao anfangs stets ab. Erst in den vergangenen
Tagen hatte er mit seinem Kanzler über eine Abdankung gesprochen. Dann aber war
es zu Streitigkeiten in der kaiserlichen Familie gekommen und Li Yuanhao wurde
ermordet. Li Sawing verfluchte noch heute diesen Tag, denn die Nachfolge war
nicht geklärt gewesen. Li Yuanhao hatte keine Kinder hinterlassen und auch
keinen Nachfolger benannt. So war durch die Ermordung des Kaisers eine Fehde
ausgebrochen unter den Verwandten, in der er – Li Sawing – als der blutnächste
Neffe die besten Chancen gehabt hatte und somit in ständiger Lebensgefahr
schwebte. Durch diese Streitereien hatten sie den Blick nach außen völlig
vernachlässigt, sogar Shenzongs Umzug außer Acht gelassen. Und nun die
Nachricht eines Befreiungsschlages seitens der Song.
    „Shenzong hatte nie angedeutet, dass er in die
Fußstapfen seines Vaters und Großvaters treten würde.“ Li Sawing war erzürnt.
„Ich hätte zumindest erwartet, einen diplomatischen Gesandten in meinen Hallen
zu empfangen, der mir eine Alternative nennt, bevor er zigtausend Soldaten in
mein Land einmarschieren lässt!“ Er ballte die Faust und suchte Zustimmung bei
seinem Kanzler, den er von seinem Vorgänger übernommen hatte.
     
    Der Kanzler stand schweigend neben seinem Kaiser
und beobachtete ihn, wie er aufgebracht im Raum hin- und herlief. Und er war so
ahnungslos…
    Erst vor wenigen Tagen war Ruhe in die Familie
eingekehrt, als weitere Mitglieder tot aufgefunden worden waren und somit Li
Sawing der einzig legitime Kandidat für den Thron geblieben war. Li Sawing
hatte schon in frühen Jahren politisches und vor allem diplomatisches Geschick
bewiesen, und so war die Familie zufrieden gewesen, einen Führer zu
haben, der Ruhe ins Land brachte. Gut, dass der Kaiser nicht wusste, wer hier mordend durch den

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