Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
nicht,
dass man hier nach Euch sucht.“ Baos Worte klangen unmissverständlich in die
Nacht hinein, und er ließ die Menschentraube zurück.
Bei allen folgenden kleinen Erkundungen im Nachbarland
war von einer solchen Horde Wilder weit und breit nichts zu spüren. Als
schließlich die Winterverhältnisse Erkundungen unterbanden, zog sich das Heer
in sein Lager zurück und bereitete sich auf den großen Angriff im nächsten
Frühling vor.
24 Ein Neuer
ERdenbürger
Qin, Winter 1075
Wirklich kalte Tage waren angebrochen. Es schien
fast, als wollte die Natur alle daran hindern, hinauszugehen. Wir Frauen
blieben lieber in unseren warmen Gemächern und wieder einmal stand das Glück
auf meiner Seite. Auf diese Weise konnte ich auch in den letzten Wochen meiner
Schwangerschaft neugierigen und entlarvenden Blicken entgehen.
Mittlerweile fühlte ich mich wie ein Fass. Ich
konnte nicht glauben, dass mein Körper solch eine Dehnung aushalten würde und
befürchtete, jeden Moment zu platzen. Als der Bauchnabel langsam nach außen
trat, bekam ich Panik und bat Cheng-Si um Hilfe.
Diese sah sich alles an und musste schmunzeln. „Es
sieht wahrlich gefährlich aus. Aber sei beruhigt. Das ist ganz normal. Der
kleine Kerl in deinem Bauch hat langsam keinen Platz mehr. Wo soll er noch
hin?“ Und mehr zu sich selbst sagte sie: „Es wird Zeit!“
Fragend sah ich sie an. „Zeit?“
Cheng-Si fuhr aus ihren Gedanken: „Wir müssen dich
hier weg bringen. Du kannst das Kind unmöglich hier in deinen Gemächern
bekommen. Das wird eine laute Angelegenheit.“
Ich hatte noch Shinlans Schreie im Kopf und diese
machten mich nicht unbedingt mutiger und zuversichtlicher. „Wo soll ich hin?“
„Ich habe einen Ort gefunden. Eine kleine Hütte außerhalb
der Palastmauern“, erklärte Cheng-Si. „Dorthin verirrt sich niemand. Abgesehen
davon werden die winterlichen Verhältnisse die Menschen abschrecken, auch nur
in die Nähe der Hütte zu kommen.“
Skeptisch sah ich an mir herab. „Ich frage mich
nur, wie ich selbst dahin gelangen soll. Wollt Ihr mich dorthin rollen,
verehrte Mutter?“
Cheng-Si lachte. „Nein, natürlich nicht. Aber du
wirst eine Hebamme zur Seite haben. Alleine schaffst du das nicht und ich kann
dich erstens nicht begleiten, noch weiß ich zweitens genug über das Gebären,
als dass ich dir eine Hilfe sein könnte.“ Cheng-Si dachte weiter nach. „Ich
werde alles in die Wege leiten. Noch kannst du dich bewegen, in ein paar Tagen
ist das vielleicht nicht mehr der Fall.“
Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und ließ
mich allein.
Ein paar Nächte später kehrte sie zurück und half
mir, mich fertig zu machen. Cheng-Si wickelte mich in ein schwarzes, löchriges
Tuch ein, das mein Antlitz verbarg. Zitternd näherten wir uns dem Tor.
Dort standen drei Wachen, die uns den Weg versperrten.
Cheng-Si gab sich zu erkennen und die Männer wurden etwas lockerer.
„Was wollt Ihr?“ fragte der eine. „Ich darf
niemanden mehr hinauslassen.“
„Sei so gut und mache eine Ausnahme“, bat
Cheng-Si. „Einer der Frauen in meinem Haus ist nicht gut und ich kann ihr nicht
helfen. Dieses Kräuterweiblein hat genug Wissen, um eine Linderung der
Schmerzen zu erwirken, aber leider sind ihr die Mittel ausgegangen.“
„Warum holt Ihr niemanden aus dem Haus der Genesung ?
Dort gibt es gute Ärzte.“ Der Soldat war skeptisch geworden und auch seine
beiden Kameraden gesellten sich dazu.
„Mein lieber Fu! Du bist doch der kleine Fu, dem
ich als Kind einmal gründlich den Hintern versohlen musste, weil er in mein
Haus geschlichen war?“ Cheng-Si stellte sich direkt vor den Mann und sah ihn
sich genau an.
Fu, der Soldat, fühlte sich offenbar unangenehm ertappt,
denn sein Gesicht färbte sich selbst in der Dunkelheit rot. Er trat von einem
Bein auf das andere und wirkte plötzlich wieder wie ein kleiner Junge. „Ja,
Herrin. Das war ich.“
„Willst du dich also wieder mit mir auf
Diskussionen einlassen über Dinge, die du nicht verstehst? Lass uns vorbei und
wir sind in wenigen Stunden wieder zurück.“
Die Kameraden lachten. „Du bist in das Haus der
Frauen eingebrochen?“ – „Was bist du denn für ein Schlimmer!“
„Ihr bleibt hier“, herrschte Fu zornig und deutete
auf Cheng-Si. „Aber ich begleite Euer Kräuterweiblein nach Hause, damit ihr
nichts passiert.“
Cheng-Si sog merklich die Luft ein, sah aber keine
andere Möglichkeit und willigte ein. „Bring sie sicher in die
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