Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
nicht glauben, dass du hier
bist!“
Bao sah mich an und ließ meine Füße los.
Ich beobachtete, wie er meine Beine in die Decke
einwickelte und sah ihn auf mich zukommen. Sein Gesicht kam immer näher und ich
konnte ihn bereits riechen, bevor sich seine Lippen auf die meinen legten.
Der Kuss fühlte sich echt an und ich schloss die Augen.
Bao umschloss mein Gesicht mit seinen Händen und
küsste mich intensiv.
„Du bist es wirklich!“, seufzte ich, als er sich
von mir löste.
Bao lachte und ich spürte seinen warmen Atem auf
meinem Gesicht. „Natürlich bin ich es! Ich wünschte, ich könnte immer bei dir
sein! Aber ich muss bald wieder gehen!“
Entsetzt riss ich meine Augen auf. „Du bleibst
nicht bis zur Geburt?“
„Das kann ich nicht!“
„Warum nicht? Du bist den langen Weg hierhergekommen,
um nur für eine kurze Weile zu bleiben?“
„Es war kein langer Weg, meine Geliebte!“
Wovon sprach er?
„Was meinst du damit?“, fragte ich.
Bao setzte sich hinter mich und nahm mich in den
Arm. Eine Weile wiegte er mich, doch dann merkte ich, dass sich etwas
veränderte.
„Ich muss nun wieder gehen“, hörte ich Bao wie von
Weitem sagen.
Mein Körper wurde sehr schwer und die Augen fielen
mir zu. Knisternd hörte ich das Prasseln des Feuers und wollte rufen.
„Bleib“, schrie ich, doch es kam mir nicht über
die Lippen. Die Augen noch immer schwer, wälzte ich mich auf meinem Lager hin
und her. Schließlich konnte ich die Augen wieder öffnen – doch ich war alleine.
Die Tür öffnete sich und ich fühlte die kühle Luft
auf meinem Gesicht.
Lian war hereingekommen.
„Wo ist er?“, rief ich.
Sie sah sich um. „Wen meint Ihr?“
„Bao! Er war hier. Er muss dir begegnet sein, als
ihr draußen wart!“
Die Hebamme sah mich schräg an. „Hier war niemand!
Wir sind dermaßen eingeschneit, dass man nicht zu uns gelangen kann, selbst
wenn man wollte!“
Das glaubte ich nicht. Ich war felsenfest von der
Anwesenheit meines Geliebten überzeugt und wollte mich auch von nichts anderem
überzeugen lassen.
„Vielleicht habt Ihr geträumt? Schwangere haben
oft sehr intensive Bilder im Schlaf.“
Ungeduldig erhob ich mich und watschelte zur Tür.
Ich musste mich vergewissern, dass draußen wirklich Schnee lag und niemand
vorbei gekommen war.
Vor der Tür türmte sich das kalte Weiß und
nirgends Spuren, die hierher führten. Es war nicht zu fassen. Ich hatte ihn
doch gespürt, sogar gerochen! Wie war das möglich?
„Habe ich tatsächlich geträumt?“, fragte ich und befühlte
meine Lippen. War ein solch intensiver Traum möglich? Ich erinnerte mich an die
anderen Träume, die ich mit Bao geteilt hatte. Auch diese waren mir real erschienen.
Vielleicht waren wir nun durch das gemeinsame Kind enger verbunden und somit
auch ein intensiveres Bündnis im Schlaf möglich?
Ich spürte den fragenden Blick von Lian und mehr
zu ihrer Beruhigung sagte ich: „Du hast Recht. Es war nur ein Traum. Ich bin
sehr müde!“
Lian lächelte, doch ihre Stimme war voller
Mitleid. „Ihr vermisst ihn sehr, nicht wahr?“
Ich nickte und wandte mich ab.
Den nächsten Tag verbrachte ich mit viel Schlafen
vor dem Feuer. Mehrmals hatte ich auf dem Bett versucht, bewusst von Bao zu
träumen, aber es wollte nie so richtig funktionieren, wie vor den beruhigenden
Flammen des Feuers. Also verlegte ich meine Schlafstelle direkt vor den Kamin
und verbrachte meine Zeit damit, in das flackernde Rot-Orange zu starren. Ab
und an fiel ich in eine Art Schlaf und dies waren die Momente, in denen ich
mich Bao am nächsten fühlte.
***
„Du hast den schönsten runden Leib, den ich je gesehen
habe!“ Bao legte seine Hand auf den prallen Bauch und kuschelte seinen Kopf
zufrieden in Min-Taos Armbeuge.
„Wie viele runde Leiber hast du denn
schon von so nahe gesehen?“, scherzte Min-Tao.
„Keine“, musste er zugeben. „Aber ich bin mir
sicher, du hast den schönsten Bauch!“ Er sah sie von unten an und wirkte so
zufrieden, dass es seiner Geliebten Tränen in die Augen trieb. Sie weinte in
letzter Zeit öfters. Die kleinste Nichtigkeit brachte sie zum Weinen und es
wirkte auf ihn, als wäre für sie alles intensiver: Trauer, Freude, Angst...
„Wovor hast du Angst?“ Bao streichelte ihr
Gesicht.
„Davor, dass ich alleine bin, wenn das Kind
kommt!“
„Du bist nicht alleine! Ich bin bei dir! Ich bin
immer bei dir!“
Bao erwachte. Das Feuer in seinem Zelt war kurz
vor dem Erlöschen und er griff
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