Die Geliebte des Koenigs
Schüler gehören für gewöhnlich zur Mittel- oder Oberstufe. Und der Lehrplan basiert nicht auf dem englischen, sondern auf dem amerikanischen …“
„Das geht schon in Ordnung“, unterbrach er sie. „Ich habe auch die entsprechenden Bücher und Arbeitsmaterialien für Lehrer besorgt. Solltest du noch irgendetwas brauchen – Materialien, Computer oder einen Assistenten –, lass es mich einfach wissen.“
Warum fühlte sie sich trotz seiner aufmunternden Worte nicht besser? Warum wuchsen ihre Zweifel immer weiter? Vielleicht weil die Grundschulmaterie nicht zu ihrem Spezialgebiet gehörte? Oder hatte sie generell einfach Angst, als Lehrerin von Sharifs Kindern zu versagen?
„Sharif“, setzte sie noch einmal entschlossen an. „Ich möchte, dass du dir klarmachst, dass ich für diesen Fall nicht die beste Wahl bin. Es gibt sicher Tausende von Lehrern in Europa, die wesentlich qualifizierter sind als ich und …“
„Aber niemand ist so geeignet wie du“, murmelte er, beugte sich vor und legte seine Hand auf die ihre.
Jesslyn stockte der Atem. Es war nur eine freundliche, unverbindliche Geste – doch ihr Herz schlug plötzlich bis zum Hals und in ihren Ohren hörte sie das Blut rauschen.
„Und was lässt mich in deinen Augen so geeignet erscheinen?“, fragte sie heiser. Sie konnte es nicht fassen, dass die alten Gefühle so einfach wieder von ihr Besitz ergriffen hatten.
Sharif starrte ins Leere und strich mechanisch mit dem Daumen über ihren Handrücken.
Versonnen betrachtete Jesslyn sein Gesicht, die dunklen, geschwungenen Brauen über seinen wundervollen silbergrauen Augen. Und plötzlich war er wieder ihr Wüsten prinz …
„Es hat ganz sicher seine Vorteile, ein König zu sein“, sagte er leise. „Und es hat nicht lange gedauert, bis ich mich daran gewöhnt und es zu schätzen gelernt habe. Jeder vorbeugt sich vor dir und tut alles, um dich glücklich zu machen. Ich bin umringt von Menschen, die mir von morgens bis abends Gutes tun wollen.“ Er brach ab und runzelte die Stirn. „Ich habe bedeutend länger gebraucht, um die Nachteile zu erkennen. Niemand möchte sich mein Missfallen zuziehen, seinen Job oder seine Beziehungen und Vorteile verlieren. Also bemüht sich jeder, alles Unerfreuliche und jede schlechte Nachricht vor mir geheim zu halten.“ Jetzt wandte er sich Jesslyn zu und sah sie an. „Anfangs gefiel mir diese blinde Ergebenheit, die Anbetung meines Volkes. Aber das legte sich schnell. Was ich wirklich brauche und vermisse, sind Menschen, die mir gegenüber ehrlich sind, und mir die ungeschminkte Wahrheit sagen. Einfach nur die Wahrheit – egal, wie sie aussieht“, wiederholte er noch einmal eindringlich und drückte Jesslyns Hand.
Behutsam entzog sie ihm ihre Finger und betrachtete ihn plötzlich mit ganz anderen Augen. Ihr sorgloser Prinz von damals schien heute die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern zu tragen. Wann hatte er wohl das letzte Mal so herzhaft und unbeschwert gelacht, wie sie es an ihm geliebt hatte?
„Ich verstehe, du hast es nicht leicht gehabt …“
„Ich will mich nicht beklagen“, sagte er. „Ich liebe mein Land, und ich liebe meine Kinder. Trotzdem ist es nicht einfach. Man muss immer Kompromisse eingehen. Opfer bringen. Aber dir ist es sicher nicht anders gegangen.“ Er sah sie an. „Habe ich recht?“
4. KAPITEL
Trotz ihres prächtigen Zimmers und der kostbaren, kühlen Laken aus ägyptischer Baumwolle konnte Jesslyn einfach nicht schlafen.
Wann immer sie die Augen schloss, spürte sie Sharifs sanfte Berührung auf ihrem Handrücken. Doch es war nicht nur dieser Moment, der ihr noch so lebhaft in Erinnerung war. Auch seine dunkle, warme Stimme hallte in ihrem Kopf wider und sandte wohlige Schauer über ihren Rücken.
Ganz allein in der Dunkelheit des Raumes fühlte sie sich wie in einer Zeitschleife – gefangen in einem Augenblick, in dem sie noch zusammen waren und einander sehr viel bedeuteten.
Nach einer unruhigen Nacht holte der Weckalarm Jesslyn viel zu früh in die Wirklichkeit zurück. Sie fuhr im Bett hoch und blickte sich einen Augenblick lang verwirrt um. Erst nach und nach fiel ihr wieder ein, dass sie in Dubais luxuriösestem Hotel war und sich auf den Abflug nach Sadad vorbereiten musste.
Sie flog nach Sadad, um Sharifs Töchter zu unterrichten.
Am liebsten wäre Jesslyn zurück unter die Laken gekrochen, um sich zu verstecken. Aber das war keine Lösung. Stattdessen schwang sie also die Beine aus dem Bett,
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