Die Geliebte des Kosaken
leid …“
Seine Backenknochen mahlten, er hätte sie am liebsten gepackt und geschüttelt. Doch er tat es nicht – wozu auch? Sie hatte sich entschieden. Gegen ihn.
Er tat einen tiefen Atemzug und zwang sich zur Ruhe. „Ich hatte versprochen, dich nach Perm zu bringen. Das habe ich getan. Mein Auftrag ist hiermit also erfüllt – ich wünsche dir alles Gute, Natalja.“
Die kühle Distanz, die er zwischen sie legte, schmerzte sie mehr, als wenn er ihr Vorwürfe gemacht hätte. „Andrej – du wirst mir immer als ein guter Freund in Erinnerung bleiben. Vielleicht der beste, den ich jemals gehabt habe …“
Er hörte kaum zu, sondern zog ein Bündel aus seiner Jacke und reichte es ihr. „Ehe ich es vergesse: Das ist dein Geld, das du mir zur Aufbewahrung gegeben hattest. Du wirst es brauchen.“
Sie fuhr zurück, als habe er ihr ein brennendes Holzscheit hingehalten.
„Das Geld gehört dir, Andrej. Es ist die Bezahlung für deine Begleitung. Das war so ausgemacht.“
Doch er schüttelte den Kopf, und seine blauen Augen blickten kalt.
„Nimm es, oder ich werfe es in den Opferstock der Kirche“, beharrte er, „ich brauche es nicht.“
Sie nahm das Paket an sich, und er dachte zornig daran, dass er ihr jetzt auch noch die Mittel verschafft hatte, um ihrem Oleg aus der Patsche zu helfen. Aber um nichts in der Welt hätte er jetzt auch noch Geld von ihr angenommen, das verbat ihm sein Stolz.
„Andrej … ich möchte dir sagen, wie sehr …“
„Verzeihung, Comtesse“, unterbrach er sie rüde, „ich habe noch einiges zu erledigen und möchte mich gern empfehlen.“
Er konnte deutlich sehen, wie blass und unglücklich sie aussah, doch er hatte kein Mitleid. Er verabschiedete sich mit einer knappen, mokanten Verneigung und stiefelte davon, über den Platz, in das Gewirr der Gässchen hinein. Egal wohin – nur fort.
Er drehte sich erst um, als er sich hinter einer Häuserecke verbergen konnte – Natalja hatte das Bündel in ihren Umhang gewickelt und an sich gepresst. Sie hielt den Kopf gesenkt, während sie langsam davonging.
Er befreite sich von seiner angestauten Wut mit einem langen, gotteslästerlichen Fluch. Da rannte sie dahin in ihr Unglück und ließ sich nicht helfen. Was geschehen würde, war nicht schwer vorauszusehen. Vermutlich würde sie mit diesem Kerl nach Jekaterinburg reisen, und er würde nicht zögern, sie heimlich zu heiraten und ihr so rasch wie möglich ein Kind zu machen. Damit hatten sie gute Karten bei Großmütterchen, und die alte Dame würde Himmel und Hölle, vor allen Dingen aber Fürst Berjow in Bewegung setzen, um ihrem geliebten Enkeltöchterlein eine glückliche Ehe zu ermöglichen. Wenn Natalja stur genug war – und daran zweifelte er keineswegs –, dann würde dieser Gauner und Betrüger Oleg Petrow sich schon binnen Jahresfrist als Herr der ausgedehnten Besitzungen der Großfürstin wiederfinden. Und Natalja? Sie würde treu an seiner Seite bleiben, ihre Kinder erziehen und langsam, aber sicher unter der Herzlosigkeit und Kälte dieses Mistkerls dahinwelken.
Warum habe ich sie nicht genommen, ich Idiot, überlegte er. Es hatte Momente gegeben, da hätte er es tun können. Warum hatte er gezögert? Aus einem einzigen, blödsinnigen Grund: weil er sie liebte.
Er hatte die Hände in die Taschen seiner Jacke gebohrt und war ziellos durch die Gässchen der Stadt gelaufen, jetzt befand er sich dicht bei der Petropawlowskij-Kirche. Eine romantisch ungepflegte Anlage umgab das hohe steinerne Gebäude auf der rückwärtigen Seite, man hatte sogar kleine Bänke aufgestellt, um den Stadtbewohnern einen Ort zur Muße und Erholung zu bieten. Sein Blick blieb neidisch an einem Paar hängen, das in trautem Gespräch auf einer dieser Bänke Platz genommen hatte und seltsam ungleich wirkte. Der große, schwarzgekleidete Kerl hatte die Hand seiner Partnerin genommen und beugte sich darüber, um sie mit den gespitzten Lippen zu berühren. Andrej musterte die kleine, etwas mollige Person ohne besondere Anteilnahme, dann hob der Kavalier seinen Kopf, und Andrej traute seinen Augen kaum. Der Kerl, der sich dort so linkisch in höfischem Benehmen übte, war niemand anderes als sein alter Geschäftspartner Bogdan.
Andrej war in der Stimmung, das Schicksal herauszufordern. Er stieß einen kurzen Pfiff aus, und Bogdan hob den Kopf. Andrej konnte förmlich sehen, wie die Gesichtszüge seines alten Kumpels aus den Fugen gerieten, als er ihn erkannte.
„Andrej Dorogin! Der Herr
Weitere Kostenlose Bücher