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Die Geliebte des Kosaken

Die Geliebte des Kosaken

Titel: Die Geliebte des Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
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gebräunt und der Ausdruck ihres zarten Gesichts viel weniger kindlich als auf dem Porträt. Nun ja – sie würde einiges auf dieser Reise erlebt haben.
    „Ich bin entzückt, Comtesse“, sagte er. „Wir haben Ihre Ankunft bereits erwartet. Wir alle sind hingerissen von Ihrem Mut, ja ich selbst bin zu Tränen gerührt …“
    Natalja hatte wenig Lust auf seine Gefühlsergüsse. Sie hatte sich kurz vor der Stadt von Andrej getrennt, der besser nicht in die Höhle des Löwen eindringen wollte. Er hatte sie schweren Herzens nach Perm begleitet, und der Zorn in seinen Augen beim Abschied hatte ihr weh getan. Doch sie musste zu Oleg, mit ihm sprechen, sie wollte Klarheit haben. Was auch immer er getan haben mochte – sie hatte ihm Treue gelobt, und daran würde sie festhalten, solange auch Oleg es tat.
    „Ich danke Ihnen“, unterbrach sie Jewremows Geschwafel. „Was ich getan habe, ist nichts Besonderes. Andere Frauen sind ihren Ehemännern sogar bis Sibirien gefolgt – schätzen Sie meine Verdienste also nicht zu hoch ein.“
    Er starrte sie immer noch an und schien unsicher, was er mit ihr anfangen sollte.
    „Ich werde sofort meine Frau holen lassen, Comtesse. Sie wird Ihnen behilflich sein, sich von der Reise zu erholen, und es werden sich gewiss auch einige Gewänder meiner Töchter finden, damit Sie diese seltsame Verkleidung ablegen können …“
    Aber Natalja hatte anderes im Sinn, als sich von der Gouverneursgattin ausfragen und bemuttern zu lassen.
    „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn ich unverzüglich mit meinem Verlobten sprechen könnte“, sagte sie, und der energische Blick ihrer braunen Augen ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihre Worte ernst meinte.
    „Unverzüglich?“, stotterte er. „Sie meinen …“
    „Jetzt auf der Stelle“, bestätigte sie und lächelte ihn an.
    Er stellte fest, dass diese junge Person bei all ihrer Lieblichkeit ein starkes Durchsetzungsvermögen besaß. Es imponierte ihm, sie war überhaupt eine erstaunliche Frau, stand in Männerkleidung vor ihm, ohne sich im entferntesten dafür zu schämen, und besaß zugleich die Haltung einer adeligen Dame.
    „Ich beuge mich Ihrem Wunsch im Namen der Liebe, Comtesse.“
    Natalja hatte erwartet, Oleg in einem düsteren Kerker zu finden, möglicherweise angekettet, die Kleidung verschmutzt, Gesicht und Körper ausgemergelt. Doch zu ihrer Verblüffung führte man sie in ein hübsch tapeziertes, helles Zimmer, in dem sich außer einer altmodischen Spiegelkommode und einem Tischchen nebst Stühlen auch ein breites, bequemes Bett fand.
    Oleg hatte am Tisch gesessen, mit einem Roman beschäftigt, daneben stand ein Teller mit Obst und einigen Piroggen. Er trug bequeme Kleidung, Haar und Oberlippenbärtchen waren wohlgepflegt.
    Er brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, wer die seltsam gekleidete Person war, die der Gouverneur ihm mit verzücktem Gesicht präsentierte.
    „Natalja! Großer Gott – ist es eine Wahnvorstellung?“, stammelte er, unfähig, sich von seinem Stuhl zu erheben.
    Auch sie brachte kaum ein Wort heraus. Dies war Oleg, ihr Verlobter, der Mann, den sie über alles liebte. Warum flog sie nicht auf ihn zu, fiel ihm um den Hals, weinte vor Glück an seiner Brust? Warum hatte sie jetzt das Gefühl, am ganzen Körper wie gelähmt zu sein?
    „Ich wollte … an deiner Seite sein“, sagte sie endlich mühsam. „Es war ein langer Weg hierher – aber nun bin ich da …“
    Jewremow begriff, dass eine dritte Person bei diesem vertraulichen Gespräch überflüssig war, und er zog sich zurück. Allerdings nicht ohne die Tür sorgsam von außen zu verschließen und Scharin aufzutragen, sie auf Wunsch der Comtesse sofort wieder zu öffnen.
    Oleg hatte inzwischen den ersten Schock überwunden, und das Räderwerk seiner Gedanken setzte sich in Betrieb. Man würde ihn nach Jekaterinburg bringen und verurteilen. Natalja war der einzige Mensch, der ihm noch helfen konnte. Sie hatte Beziehungen, ihre Großmutter war eine gute Bekannte von Fürst Berjow. Natalja hatte es geschafft, ganz allein bis Perm zu reisen, vielleicht konnte sie auch mehr für ihn tun …
    Er erhob sich taumelnd und ging auf sie zu, um sie in seine Arme zu nehmen. Dabei brauchte er sich nicht einmal zu verstellen, denn seine Rührung war tatsächlich riesengroß.
    „Meine kleine Taube“, stammelte er, „ich war so kleingläubig. Verzeih mir, mein Engel. Ich habe nicht glauben können, was man mir erzählte …“
    Bestürzt sah Natalja, dass er

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