Die Geliebte des Kosaken
sich von dem Bett und trat an den kleinen Schreibtisch, zog ein Blatt aus der schön bestickten Briefmappe und hielt es in der Hand. Einige Sätze kamen ihr in den Sinn, schon wollte sie sich hinsetzen und zur Feder greifen, da schüttelte sie, ärgerlich über sich selbst, den Kopf und warf das Blatt auf den Schreibtisch. Wozu ihm noch freundliche Worte schreiben, wenn er sich doch kühl und gleichgültig aus ihrem Leben verabschiedet hatte? Und wohin den Brief senden? Sie wusste nicht einmal, ob er noch in der Stadt war.
Es klopfte an der Tür, und sie stieß zornig die Luft aus. Es war wirklich großartig, wie die Jewremowa dafür sorgte, dass sie ungestört schlafen konnte.
„Ja bitte …“
Eine junge Frau war im Türspalt zu sehen, in ein roséfarbiges, ein wenig altmodisches Kleid mit hoher Taille gekleidet, das Haar war tiefschwarz und die leicht schräg stehenden Augen von gleicher Farbe.
„Bitte verzeihen Sie, Comtesse … Ich hoffe nicht, dass ich Sie im Schlaf gestört habe … Die Bedienstete sagte mir, Sie seien wach … Mein Name ist Katja Petrowna Scharina …“
Sie hatte ein lebhaftes Mienenspiel und schien irgendein Anliegen zu haben. Natalja unterdrückte einen Seufzer, dann dachte sie, dass diese junge Frau vielleicht eine interessantere Gesprächspartnerin sein könnte als die Jewremowa. Und schlafen konnte sie sowieso nicht.
„Bitte treten Sie ein“, sagte sie liebenswürdig, „ein Tässchen Tee?“
„Sehr gern, Comtesse …“
Sie machte keine Umstände, was Natalja amüsant fand. Unbefangen setzte sie sich auf eines der Sesselchen, nahm die Teetasse zierlich in die Hand und verschmähte auch das Zuckerwerk nicht. Natalja gönnte sich auch etwas Tee und stellte fest, dass Katja Scharina sie sehr aufmerksam und gründlich musterte. Sie war hübsch, mit einem exotischen Einschlag, was sicher an den hohen Wangenknochen und den schwarzen, mandelförmigen Augen lag.
„Ich bin gekommen, weil Irina Jewremowa der Meinung ist, Sie würden sich vielleicht langweilen“, sagte sie dann. „Tun Sie das wirklich?“
„Überhaupt nicht“, gab Natalja zurück, „ganz im Gegenteil: Man gibt sich große Mühe, mich zu beschäftigen und zu unterhalten.“
Katja sah sie über die Teetasse hinweg an, als müsse sie sie prüfen. Dann schmunzelte sie und nahm sich noch ein Stückchen Zuckerwerk.
„Kein Wunder. Sie sind das Stadtgespräch Nummer eins, Natalja Iwanowna. Alle sind ganz wild darauf, Sie kennenzulernen und ein paar Worte mit Ihnen zu wechseln. Die ‚Prinzessin des Urals‘ werden Sie genannt, meine Mutter hat sogar Tränen über Ihren Mut vergossen.“
Natalja fand ihre Ehrlichkeit sympathisch. Sie lachte fröhlich auf und fischte sich ein kleines klebriges Etwas aus der Schüssel. „Das habe ich schon befürchtet“, seufzte sie. „Es ist mir ziemlich unangenehm, Katja.“
„Es geht auch die Sage, Sie seien schön wie eine Zarentochter …“
„Großer Gott!“, stöhnte Natalja entsetzt.
„Sie sind wirklich sehr schön, Natalja Iwanowna. Sie gleichen ganz und gar dem Bild, das man von Ihnen geschickt hat.“
Natalja sah sie verwirrt an. Man hatte ihr von dem kleinen Porträt, das ihre Großmutter nach Perm gesandt hatte, berichtet, es ihr auch gezeigt. Aber dass es offensichtlich von Hand zu Hand gegangen war, hatte sie nicht gewusst.
„Sie haben das Porträt gesehen?“
„Ja“, antwortete Katja lächelnd. „Man zeigte es mir aus einem ganz bestimmten Grund. Weil Oleg Petrow mir gegenüber behauptet hatte, seine Verlobte sei alt und hässlich.“
Natalja hielt die Teetasse in der Hand und starrte sie an. Was war das gewesen? Hatte sie recht gehört?
„Ich bin hier, weil ich glaube, Ihnen die Wahrheit schuldig zu sein, Natalja Iwanowna“, fuhr Katja fort, „Oleg hat mir die Ehe versprochen, und ich war dumm genug, ihm zu glauben.“
Die Teetasse zitterte in Nataljas Hand, sie hatte plötzlich das Gefühl, der Fußboden käme ihr entgegen. „Ich verstehe nicht …von wem sprechen Sie?“
In Katjas schwarzen Augen spiegelte sich Mitleid. „Ich spreche von Oleg Petrow, Ihrem Verlobten, der hier in Perm wegen Hochverrats eingekerkert ist. Mein Vater ist der Direktor des Gefängnisses, und Oleg wollte mich überreden, ihn heimlich zu befreien. Dafür hatte er mir die Heirat versprochen.“
„Das ist nicht wahr!“, wehrte sich Natalja. „Warum kommen Sie her, um mir solche Lügen zu erzählen? Gehen Sie. Ich will nichts mehr hören!“
Katja rührte sich
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