Die Geliebte des Kosaken
Verbrecher und werde meine gerechte Strafe erhalten.“
„Nein“, flüsterte sie, nun selbst zu Tränen gerührt, „du bist kein Verbrecher, Oleg. Du hast es aus Liebe getan, nur das zählt für mich.“
Er begriff, dass er gewonnen hatte, und küsste dankbar ihre Hand. „Ich bin gescheitert, Natalja. Vergiss mich. Vergiss den Eid, den wir uns einst geschworen haben und der mir bis ins Grab hinein heilig sein wird …“
Trotz ihrer Rührung fand sie, dass er reichlich übertrieb. Aber sie hatte ihm Treue geschworen, sie war seine Verlobte, sie war an ihn gebunden. Auch wenn sie sich Mühe geben musste, noch einmal an die große, wunderbare Liebe zu glauben, die sie bis nach Perm geleitet hatte.
„Sie werden mich schon in ein paar Tagen nach Jekaterinburg schaffen, Natalja. Von dort aus führt der Weg direkt nach Sibirien und in den Tod.“
Sie erschrak. So schlimm stand es also. „Ich werde alles tun, um dir zu helfen, Oleg“, versprach sie und strich mit der Hand durch sein schön gescheiteltes Haar. Dann erhob sie sich und klopfte an die Tür. Sie hatte das Gefühl, in diesem engen Zimmer fast zu ersticken.
Andrej hatte sich in Perm umgesehen, hatte die hölzernen Wohnhäuser betrachtet und sich bei einem Trödler eine neue Jacke und Lederstiefel gekauft. Jetzt schlenderte er schon seit einer guten Stunde zwischen kleinen Bäumchen und Buschwerk am Ufer der Kama entlang, betrachtete scheinbar voller Interesse den regen Schiffsverkehr im Hafen, während er in Wirklichkeit ungeduldig auf Natalja wartete. Man hatte verabredet, sich am späten Nachmittag hier wieder zu treffen, nun aber ließ sie ihn warten, und seine Unruhe stieg von Minute zu Minute. Er war wütend auf sie, auf ihre sture Forderung, sie nach Perm zu bringen, auf diese lächerliche Behauptung, sie habe ihren Treueschwur zu halten. Er hatte ihr die Augen über Oleg geöffnet, und kein Wort davon war übertrieben oder gar gelogen gewesen – aber sie wollte ihm nicht glauben. Immer wieder musste er gegen die Verzweiflung ankämpfen, die in seinem Inneren aufsteigen wollte. Ja, sie war ehrlich, gradlinig, sie hing treu an einem einmal gegebenen Versprechen und ließ sich in ihrem Glauben an einen geliebten Menschen nicht irremachen. Er bewunderte sie für diese Eigenschaft, er liebte Natalja deswegen, und doch würde ihre unerschütterliche Treue seiner Liebe zum Verhängnis werden. Oleg verstand es, andere Menschen für sich einzunehmen, das hatte er damals an sich selbst erfahren müssen.
Einen Augenblick lang war er sogar versucht gewesen, in die Kirche zu gehen, um ein Gebet zu verrichten. Doch er unterließ es – sein Schuldkonto im Himmel war derart angewachsen, dass er von dort ganz sicher keine Hilfe zu erwarten hatte.
Die Schatten der Bäume lagen schon dünn und langgestreckt über dem Gras, als eine einzelne Dame die Straße entlangspazierte und zum Flussufer hinüberging. Er beschattete die Augen vor den tiefstehenden Sonnenstrahlen. Konnte das Natalja sein? Diese zarte junge Frau im weißen Kleid, einen roten Schal um die Schultern geschlungen, einen hellen Hut mit Schleier auf dem blonden Haar? Ja, es gab keinen Zweifel: Dies war Natalja Iwanowna, die Enkelin der Großfürstin Galugina, eine jener Damen aus dem hohen Adel, die man bisher streng vor einem Kerl wie ihm behütet hatte.
Als sie ihn erkannte, lief sie mit unpassender Eile auf ihn zu, und für einen Augenblick verwandelte sich die adelige Dame wieder in seine Natalja. Doch der Eindruck war nur kurz, denn als er das verlorene Lächeln auf ihrem Gesicht sah, begriff er, dass seine Befürchtungen eingetroffen waren.
„Andrej, es tut mir leid. Sie wollten mich partout nicht gehen lassen, und ich musste ihnen vorschwindeln, dass ich schrecklich müde sei und schlafen wollte …“
Sie verbarg ihr schlechtes Gewissen hinter allerlei Geschwätz, erzählte von Oberst Jewremow, seiner schrecklich aufdringlichen Gattin, seinem kostspielig eingerichteten Haus.
„Sie haben sich verändert, Comtesse“, unterbrach er sie schließlich mit Bitterkeit in der Stimme, „mein Kompliment zu diesem bezaubernden Kleid.“
Sie wurde rot und schwieg verwirrt. Ihre Augen begegneten sich, doch sie konnte seinem Blick nur für kurze Zeit standhalten, dann sah sie zu Boden.
„Ich kann nicht anders, Andrej“, erklärte sie leise, ohne ihn anzusehen, „Oleg wird in ein paar Tagen nach Jekaterinburg gebracht – ich muss alle Hebel in Bewegung setzen, um ihm zu helfen. Es tut mir
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