Die Geliebte des Kosaken
Katja Bärenpranken und Zwiebelduft liebte, dann war sie bei Bogdan ganz gewiss in den richtigen Händen. Beklommen glitt Nataljas Blick zum vorderen Kutschenfensterchen, Andrej saß ruhig auf dem Bock, lenkte die Pferde mit sicherer Hand und schien keineswegs auf die Idee zu kommen, ins Innere der Kutsche zu schauen. Wusste er, dass sie sich hier befand?
Er muss es wissen, überlegte sie. Ganz sicher haben die Kosaken uns schon eine ganze Weile beobachtet, bevor sie den Angriff unternahmen. Zudem hat Katja vermutlich als Spionin gearbeitet und ihrem Bogdan allerlei Wichtiges über den Transport verraten.
Die Kosaken ritten unbeirrt durch die Talsohle, folgten dem Lauf des kleinen Baches und bogen erst nach einer Weile nach Süden, um einem Seitental zu folgen. Immer wieder grinsten bekannte Gesichter im Vorüberreiten, Natalja erkannte den langen, dünnen Wasilij und den schnurrbärtigen Stenka, auch der kleine Kondralin trieb sein Pferd an der Kutsche vorbei und warf einen scheuen Blick auf die schöne Dame im eleganten grünen Reisekleid, die er zuletzt in Männerkleidung gesehen hatte.
„Keine Sorge“, sagte Katja, die die begehrlichen Blicke ebenfalls bemerkte, „sie werden dich nicht anrühren, dafür wird Bogdan sorgen.“
Natalja schwieg. Ihr Herz klopfte unruhig, denn Andrej schien keinerlei Notiz von ihr zu nehmen. Hatte ihre Entscheidung ihn so enttäuscht, dass er endgültig nichts mehr von ihr wissen wollte? War er jetzt nur noch hinter dem Gold her, und sie, Natalja, war ihm völlig gleichgültig?
Während die Kutsche an einem wilden Gebirgsbach entlang auf holprigen Wegen fuhr, wurde Natalja von bösen Vorahnungen heimgesucht. Sie hätte ihrem Herzen folgen sollen und nicht ihrem verdammten, sturen Pflichtgefühl. Warum hatte sie an Oleg festgehalten? Hatte ihr Instinkt ihr nicht deutlich genug gesagt, dass sie ihn nicht mehr liebte? Oh, wie einfältig sie gewesen war, wie sehr musste sie Andrej damals verletzt haben, als sie voneinander Abschied nahmen. So sehr, dass es jetzt vielleicht zu spät war.
Der Nebel hatte sich verflüchtigt, dafür setzte langsam die Dämmerung ein. Immer noch blickten sich die Kosaken aufmerksam um, schickten an jeder Wegbiegung Späher vor, um die Gegend zu sichern, doch kein Verfolger ließ sich blicken. Das Tal verengte sich zusehends, Felsbrocken lagen im Weg und mussten umfahren werden, die schroffen Wände, nur von Birken und kleinen Tannen spärlich bewachsen, schienen von beiden Seiten auf sie zuzurücken. Schließlich verlor sich der Weg im Geröll, und die Kutschen mussten anhalten.
Stenka ließ es sich nicht nehmen, den Kutschenschlag zu öffnen und den beiden Frauen beim Aussteigen zu helfen. Kaum hatte er jedoch Katjas Hand berührt, da traf ihn schon ein kräftiger Schlag auf die Schulter, und Bogdan schob ihn beiseite.
„Nimm deine Pfoten weg“, knurrte er Stenka eifersüchtig an.„Kümmere dich um die andere, diese da fasst keiner von euch an!“
Die Kosaken hatten Ersatzpferde mit sich geführt. Natalja traute ihren Augen nicht: Bogdan hob Katja so vorsichtig in den Sattel, als sei sie eine zerbrechliche Porzellanfigur.
„Nur noch eine kleine Weile, mein Täubchen“, murmelte er, „bald werden wir ein warmes Nachtlager finden, und du kannst dich ausruhen. Sei geduldig, mein Engel. Wenn wir das Gold erst haben, kaufe ich ein Gut für uns, und du wirst leben wie eine Fürstin.“
Stenka ging weniger rücksichtsvoll mit Natalja um. Er schlang den Arm um ihre Taille, hob sie aus der Kutsche und versuchte dann, trotz ihrer zornigen Gegenwehr, seine Hände ausgiebig über ihren Körper spazieren zu lassen. Doch ein warnender Blick seines Anführers veranlasste ihn letztlich, die hübsche Natalja freizugeben. Wütend stieg sie auf das Pferd, das man ihr bereitstellte. Wo war Andrej? War ihm völlig egal, was mit ihr geschah?
Andrej kümmerte sich nicht um sie. Stattdessen sorgte er dafür, dass Oleg auf ein Pferd geschafft wurde, er kontrollierte seine Fesseln und winkte die Kameraden herbei, um die beiden Kutschen in eine Felsnische zu schieben, wo man sie mit Zweigen und Laub zudeckte. Dann setzte man die Reise fort, ritt auf schmalem Pfad eine Weile bergan und folgte daraufhin dem Weg, der auf halber Höhe den Berg entlangführte. Natalja hielt sich dicht hinter Katja, die keine gute Reiterin war und sich krampfhaft bemühte, nicht vom Pferd zu rutschen. Es wäre lebensgefährlich gewesen, denn auf der rechten Seite fiel der Weg steil in
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