Die Geliebte des Kosaken
die Schlucht ab.
Es war fast dunkel, als die Kosaken endlich ein einsames Gehöft erreichten, das halb verfallen am Berghang klebte und im schwachen Dämmerlicht wenig einladend wirkte. Beim Näherkommen erwies sich jedoch, dass es neben dem Haupthaus auch Scheune und Nebengebäude gab, genügend Platz, um die Pferde einzustellen und den Reisenden Obdach zu geben. Das alte Ehepaar, das einsam hier oben sein Leben fristete, wurde aufgefordert, den Ofen anzuzünden, und die Kosaken packten ihre Vorräte aus. Die beiden Alten, die zuerst geglaubt hatten, ihr letztes Stündlein habe geschlagen, staunten über Würste, Käse, Brot und allerlei Leckeres, das man in Perm eingekauft hatte. Man lud sie ohne Umstände zur Mahlzeit ein, hockte sich in der engen Stube eng beieinander und tat, als sei man hier zu Hause.
Katja war nach dem anstrengenden Ritt längst wieder obenauf, sie saß an Bogdans Seite, ließ sich die besten Bissen in den Mund stecken und schäkerte mit ihm. Natalja hingegen hatte sich in eine Ecke der Stube verzogen, wo man sie zum Glück unbehelligt ließ, und sie verfolgte das laute Treiben mit beklommenem Herzen. Andrej hockte inmitten der Kosaken, aß und trank mit großem Appetit, lachte laut über seine eigenen Späße und gönnte ihr keinen einzigen Blick.
Man hatte Oleg auf die Ofenbank gesetzt, immer noch waren ihm Hände und Füße gebunden, auch gab man ihm weder zu essen noch zu trinken. Er starrte mit trübem Blick auf Katja, sah dann wieder zu Natalja hinüber, deren Gesicht er im schwachen Licht der Laterne kaum erkennen konnte, und schien sich seine Gedanken zu machen. Erst als die Kosaken satt waren, erhob sich Andrej, gab Bogdan einen Wink, und die beiden schafften Oleg nach draußen. Was sich dort abspielte, konnte Natalja nur ahnen, wissen wollte sie es nicht. Doch schon nach kurzer Zeit kehrten die drei Männer in die Stube zurück, Oleg immer noch in Fesseln, sein Gesicht war bleich, sein blondes Haar hing ihm in Strähnen in die Stirn.
„Unser Freund ist kein Dummkopf“, vermeldete Bogdan zufrieden und blinzelte den anderen zu, „er will uns morgen zu dem Gold führen. Und dieses Mal wird er keine Späßchen mit uns machen, nicht wahr, Oleg?“
Er gab dem Gefangenen einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf, und Oleg nickte notgedrungen. In diesem Augenblick tat er Natalja trotz allem leid. Er sah jämmerlich aus, wie er mit zerrissener Kleidung und wirrem Haar zwischen den beiden großen Kerlen hing. Hatte sie jemals geglaubt, Oleg sei ein wagemutiger Offizier, der Herz und Leben für das Vaterland gab? Großer Gott – wie blauäugig sie doch gewesen war.
„Passt gut auf ihn auf“, mahnte Andrej. „Stenka, du hast die erste Wache, Grischa löst dich ab. Und lasst euch auf nichts ein, Brüderchen. Unser Freund ist ein Schönredner, der schon so manchen beschwatzt hat. Bindet ihm am besten das Maul zu.“
„Ich habe Hunger und Durst“, widersprach Oleg, der jetzt wieder lebendig zu werden schien, „wenn ich euch morgen führen soll, dann muss ich bei Kräften sein.“
Das klang vernünftig, man schob ihn wieder auf die Ofenbank, band ihm die Hände los und gab ihm zu essen. Anschließend fesselte Bogdan seinen Gefangenen höchstpersönlich, zurrte die Riemen fest, nickte befriedigt und wandte sich wieder seiner Freundin zu.
„Komm mit mir, mein Lämmchen“, schmeichelte er und schlang den Arm um ihre Hüften. „Ich werde dir zeigen, wie schön der Vollmond über den Bergen steht.“
Grinsende Gesichter waren im Licht der Laterne zu erkennen, verständnisinnige und neidische Blicke folgten den beiden, dann wanderten einige Augenpaare zu Natalja hinüber, die sich in ihrer Ecke am liebsten unsichtbar gemacht hätte.
„He Natalja! Schönes Dämchen. Sollen wir auch gemeinsam den Vollmond betrachten?“
„He Brüderchen! So redet man nicht mit einer adeligen Hoheit. Mach eine Verbeugung und küsse ihr Füßchen.“
„Hast ein hübsches Kleidchen an, Natalja. Schaust aus wie eine Zarentochter. Aber unter dem Kleidchen bist du noch dieselbe, die wir einmal im Fluss gebadet haben!“
Gelächter erhob sich, denn alle hatten die Szene noch in Erinnerung. Natalja zitterte, ihre Blicke waren flehend auf Andrej gerichtet, der seelenruhig am Boden saß und die Wodkaflasche in der Hand hielt.
„Ruhig, Brüderchen“, rief er und lachte laut. „Trinken wir eine Runde auf die schönen Weiber! Auf die molligen Schwarzen und die rassigen Rothaarigen. Und auf die
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