Die Geliebte des Kosaken
stetig tropfte.
„Ausgezeichnet“, sagte Andrej, bevor Natalja auch nur den Mund aufbekam. „Sag deinem Mann, er soll das Zeug herausräumen. Und dann beschaffe meiner Schwester eine Bluse und einen Sarafan. Man hat leider unterwegs ihr Gepäck gestohlen.“
Die Wirtin riss die Augen auf und schlug die Hände zusammen. Lieber Himmel, was es doch für böse Menschen gab auf Gottes Erdboden. Ja, natürlich, sie würde etwas für seine Schwester finden, sie habe noch Kleider von ihrer Tochter, die müssten ihr passen …
Gleich darauf wackelte sie eilig die Stiege hinunter, man hörte, wie sie unten ihren Mann ankeifte, und der Ärmste erschien kurz darauf, zwar wenig beglückt über die zusätzliche Arbeit, aber dennoch willig. Andrej, mit Blick auf die bibbernde Natalja, fasste kurzerhand selbst mit an, warf das Gerümpel mit kräftigen Armen zum Fenster hinaus in den Garten, trug einen Stuhl und zwei der Strohsäcke hinein und breitete Decken darüber.
„Ist das meiner lieben Schwester genehm?“, fragte er schließlich ironisch und wischte noch einige Spinnweben aus den Ecken.
„Danke“, sagte Natalja leise.
Diese Kammer war einfach grauenhaft – aber sie musste anerkennen, dass er sich große Mühe gab. Als die Wirtin mit Bluse und Sarafan erschien, dazu noch Strümpfe, Stiefel und ein Kopftuch brachte, erwähnte Natalja mit keinem Wort, dass die Sachen nach Moder rochen und auch sonst nicht frisch gewaschen aussahen. Schweigend nahm sie die Kleider entgegen und verschwand damit in ihrem engen Gemach, gleich darauf hörte Andrej, dass sie die Tür von innen mit dem Stuhl verbarrikadierte.
Er seufzte und musste den Kopf schütteln. Diese reizende junge Dame hatte sich ohne Vorbehalte dem Mistkerl Oleg an den Hals geworfen, sie reiste mit Diebesgesindel durch die Lande und wollte völlig allein durch den Wald marschieren. Aber hier im Gasthaus schien sie vor Angst zu sterben, dass er, Andrej, ihr Retter und Helfer, einen Blick auf ihre ohne Zweifel sehr bezaubernden Reize tun könnte.
Er ließ sich auf einem der Stühle nieder, um sich seiner durchweichten Stiefel zu entledigen, wrang die Socken aus und schüttete ganze Sturzbäche aus seiner Fußbekleidung. Verdammt, er hatte nur dieses eine Paar und würde also morgen wieder in die nassen Stiefel fahren müssen, denn der Wirt sah nicht so aus, als hätte er ein Paar guter Schuhe zu verkaufen. Nebenan waren Geräusche zu hören, nasser Stoff schleifte über den Boden, ein leiser Seufzer, dann ein erschreckter Aufschrei – Andrej grinste. Vermutlich war ihr eine Maus über die Füße gelaufen. Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und besah nachdenklich die Zimmerdecke, während er auf weitere Geräusche von jenseits der Tür lauschte. Leider war jetzt nicht mehr viel zu hören. Vermutlich war sie beschäftigt, die feuchten Schnüre ihres Korsetts zu lösen, ach, es war wirklich schade, dass sie sich auf keinen Fall von ihm helfen lassen wollte. Der nasse Stoff hatte ihm bereits offenbart, dass sie schlanke Beine und einen aufregend gerundeten kleinen Po besaß – vermutlich war der Rest ihres Körpers ebenso verlockend ausgestattet.
Nicht für dich, Andrej Dorogin, dachte er missmutig. Diese verführerische Schönheit mit der langen Ahnenreihe aus dem russischen Großadel hätte ihn auf einem Ball keines Blickes gewürdigt. Er war ihr dort übrigens niemals begegnet, denn er war seit jenem Skandal vor zwei Jahren, der ihn seinen Offiziersrang gekostet hatte, auf keine große Gesellschaft mehr eingeladen worden.
Erschrocken fuhr er zusammen, als der Stuhl hinter der Tür verschoben wurde und Natalja gleich darauf aus der Kammer trat. Sie sah mit der weißen Bluse und dem bunten Sarafan vollkommen verändert aus, zumal sie das Haar straff nach hinten genommen und am Hinterkopf zu einem dicken Zopf geflochten hatte. Seine hochnäsige Comtesse hatte sich in eine junge Bäuerin verwandelt, eine zierliche, ernste Schönheit, das Gesicht von den großen braunen Augen beherrscht, die jetzt sanft und verträumt blickten.
Sie hatte seine Überraschung bemerkt, auch dass sie ihm gefiel, war ihr nicht entgangen, und sie musste sich innerlich zur Ordnung rufen. Wieso schmeichelte es ihr? Hatte sie etwa schon vergessen, mit welcher Sorte Frauen er sich die Zeit vertrieb? Dieser Mensch war ein Schürzenjäger, und sie sollte besser Wert darauf legen, ihm nicht zu gefallen.
„Was ist mit Ihren Stiefeln?“, fragte sie.
„Nass sind
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