Die Geliebte des Kosaken
deshalb, weil dein hochgeschätzter Oleg nichts weiter als ein Gauner und Betrüger ist.“
Mit einem Ruck zog sie ihre Hand unter der seinen hervor und ballte sie zur Faust. Er hatte ihren Zorn erwartet und beobachtete amüsiert, wie ihre Augen jetzt gefährlich aufblitzten und sie Miene machte, als wolle sie ihm gleich an die Kehle fahren.
„Ihr Urteil über meinen Verlobten ist mir bekannt“, fauchte sie, „aber denken Sie nur nicht, dass Sie mich so einfach nach Hause schicken können. Ich werde nach Perm reisen, davon kann mich nichts und niemand abbringen und am allerwenigsten solch ein verworfener Mensch, wie Sie es sind!“
Er grinste sie fröhlich an, was sie nur noch mehr aufbrachte. „Eben hast du noch gesagt, dass du mich schätzt, Natalja.“
„Das war ein bedauerlicher Irrtum. Jetzt sehe ich ein, dass mein erster Eindruck von Ihnen vollkommen richtig war.“
„Und was für ein Eindruck war das?“, stachelte er ihren Zorn weiter an.
„Habe ich das nicht bereits deutlich gesagt? Sie sind ein Lügner und ein …“ Sie hielt inne und schwieg verbissen. So zornig sie auch war, dieses schreckliche Wort wollte sie nun doch nicht gebrauchen.
„Ein Hurenbock, das wolltest du doch sagen, nicht wahr?“, half er aus und sah, dass sie errötete. „Mag sein, dass du damit sogar recht hast – ein Heiliger bin ich jedenfalls nicht. Und trotzdem glaube ich, dass du dich nicht über mich beklagen kannst. Ich habe dich im Wald aufgelesen, auf mein Pferd gesetzt und hierhergebracht. Und ich habe vor, dich vor einer lebensgefährlichen Aktion zu bewahren. Wäre ich tatsächlich der Mensch, für den du mich hältst – dann wäre ich vermutlich auf dein großzügiges Angebot mit Freuden eingegangen.“
Er klang auf einmal sehr ernst, und Natalja spürte trotz ihres Ärgers, dass er recht hatte. Eine Weile saß sie schweigsam da, spürte den schweren Blick seiner blauen Augen auf sich gerichtet und wagte nicht, zu ihm aufzusehen. Sie hatte ihn beleidigt, und er hatte ihr bewiesen, dass sie keinen Grund dafür hatte. Sie schämte sich.
„Warum wollen Sie nicht mein Reisebegleiter sein?“, fragte sie dann leise. „Weil ich zu Oleg reisen will? Würden Sie mich begleiten, wenn ich aus einem anderen Grund unterwegs wäre?“
Er stutzte und überlegte, was sie mit dieser Frage wohl erreichen wollte. „Ich würde dich gern eine Weile begleiten, Natalja. Allerdings nicht auf einer Reise, die dich nur ins Verderben führen kann.“
Er sah einen zärtlichen Ausdruck auf ihrem Gesicht und glaubte schon, er gelte ihm. Doch ihre nächsten Worte bewiesen, dass sie in Gedanken ganz woanders war.
„Ich liebe Oleg“, gestand sie in leisem, unendlich zartem Ton. „Er ist der Mann, den ich heiraten werde, und mir ist es völlig gleichgültig, was Sie von ihm halten. Ich liebe ihn und werde ihn niemals verlassen.“
Betroffen hörte er zu. Was für ein Mädchen war das, die für einen Mann alles opfern konnte? Die für ihn sogar durch die Hölle zu gehen bereit war. Warum, bei allen Teufeln, war er selbst niemals solch einer Frau begegnet? „Ich glaube dir, Natalja“, sagte er bewegt und fasste sanft ihre Hand. „Und gerade deshalb werde ich alles tun, um dich vor Unheil zu bewahren. Genau wie ein großer Bruder es für dich tun würde.“
„Dann begleite mich nach Perm. Bitte. Ich bitte dich, Andrej. Ich flehe dich an!“
Sie hatte Tränen in den Augen, und er musste tief Luft holen, um den Zorn niederzuringen, der in ihm aufbrandete. Verflixte kleine Schmeichlerin! Sie ließ sich jetzt sogar herab, ihn zu duzen. Himmel, wie musste man sich vor dieser Frau in Acht nehmen!
„Nein!“, antwortete er mit fester Stimme. „Unter keinen Umständen.“
Er sah, wie sie enttäuscht die Lippen aufeinanderpresste, und begann, sich Sorgen zu machen. Natürlich konnte er sie in die nächste Postkutsche nach St. Petersburg setzen. Aber niemand garantierte ihm dafür, dass sie nicht unterwegs ausstieg und ihrer eigenen Wege ging.
„Gehen wir schlafen“, entschied sie zu seiner Überraschung, „morgen ist auch noch ein Tag.“
Es war noch früh am Abend, aber der Tag war anstrengend gewesen, und er konnte sich gut vorstellen, dass sie nach all den Schrecknissen müde war. Auch er beschloss, sich aufs Ohr zu legen, denn es gab für ihn momentan nichts Besseres zu tun.
„Gute Nacht“, verabschiedete sie sich frostig und schloss die Tür ihrer Kammer, bevor er etwas erwidern konnte.
Resigniert suchte er sich
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