Die Geliebte des Kosaken
lächelte, während Regentropfen ihr über Stirn und Wangen rannen und die Tränen fortspülten. Ihr langes Haar hatte sich aufgelöst und hing ihr in nassen Strähnen den Rücken hinab, ihr Gesicht war zart, und die braunen Augen wirkten groß und sehr dunkel. Er war nahe daran, sich zu vergessen, doch er riss sich zusammen.
„Steigen Sie auf, ich helfe Ihnen.“
„Danke. Ich schaffe es schon allein.“
Sie hatte Mühe, sich in den Sattel zu hieven, und er bedauerte, dass sie seine Hilfe zurückgewiesen hatte, denn er hätte sie gar zu gern umfasst. Doch nachdem sie sich an seiner starken Schulter ausgeweint hatte, hielt sie ihn wieder streng auf Abstand. Auch auf sein vertrauliches Du war sie nicht eingegangen. Natürlich nicht – wie hatte er das auch glauben können. Schließlich war sie die Enkelin der Großfürstin Galugina – einer Dame, die ihn, den Kosakenbastard, während der vergangenen Jahre auf allen Gesellschaften geflissentlich übersehen hatte.
Natalja konnte wegen des Kleides nur seitlich auf dem Pferd sitzen, und er bemühte sich, das Tier vorsichtig über die aufgeweichten Wege zu führen, wobei er seine Stiefel und Hosen endgültig ruinierte, auch der Mantel bekam jede Menge bräunlicher Spritzer ab.
„Wohin reiten wir?“, wollte sie wissen.
Er sah, dass sich ihre Lippen vor Kälte schon blau gefärbt hatten, und war kurz davor, ihr seinen Mantel anzubieten. Doch er beherrschte seinen Beschützertrieb – man konnte bei dieser zarten Dame nie ganz sicher sein, ob sie die Lage nicht schon wieder ausnutzte. Sie sollte auf keinen Fall glauben, dass er Wachs in ihren Händen sei.
„Einige Werst entfernt liegt ein Dorf. Dort gibt es einen netten Gasthof, wo wir unterkommen können. Auch die Poststation ist nicht weit entfernt.“
Sie schwieg und genoss es, auf dem Pferd sitzend über den Morast getragen zu werden. Wenigstens würde sie nicht an jenen scheußlichen Ort zurückkehren müssen, an dem sie übernachtet hatten. Die Nachricht über die Poststation gefiel ihr weniger. Sie hatte trotz aller Schrecknisse keineswegs die Absicht, ihre Pläne aufzugeben. Im Gegenteil – sie grübelte bereits darüber nach, wie sie Dorogin dazu bringen könnte, ihr dabei behilflich zu sein. Nachdenklich betrachtete sie ihn, wie er durch den Matsch vor ihr herstapfte, immer wieder darauf bedacht, den annehmbarsten Weg zu finden, und sie musste sich eingestehen, dass seine sicheren, kraftvollen Bewegungen ihre Bewunderung erregten. In seiner Begleitung zu reisen, wäre gewiss ein großer Vorteil. Wieso trieb er sich eigentlich hier in der Gegend herum? Sie war zwar nicht sonderlich bewandert, was die Geographie betraf – aber der Weg nach Moskau war es keinesfalls.
Währenddessen spürte Andrej, wie die Nässe durch seine Stiefel sickerte, und er rechnete sich aus, dass ihm das Schlammwasser bei der Ankunft im Dorf vermutlich bis hoch zu den Knien stehen würde. Verdammt, wieso war er solch ein Narr gewesen, ihr sein Pferd zu überlassen und selbst zu Fuß zu laufen? Er hätte sie einfach vor sich auf den Gaul setzen sollen, das wäre auch aus anderen Gründen sehr angenehm gewesen, denn so hätte er Grund gehabt, seine Arme um ihren hübschen Körper zu legen. Aber nein, er musste ja den Kavalier spielen und sich Blasen an den Füßen holen.
Als die ersten bräunlichen Holzhäuser des kleinen Dörfchens Beresow durch die Zweige hindurch sichtbar wurden, war er entschlossen, seine bezaubernde Schutzbefohlene so rasch als irgend möglich wieder loszuwerden. Auf jeden Fall bevor wieder eine jener Katastrophen eintrat, die sie ja im Gefolge zu haben schien.
Das Gasthaus sah keinesfalls besser aus als jenes, in dem sie die erste Nacht verbracht hatte. Ein niedriges Gebäude mit Klappläden und geschnitzten Fensterumrandungen, die schon reichlich von Wind und Wetter mitgenommen waren. Auch die Pfosten der schmalen Veranda schienen erschreckend dünn und altersschwach, und das Nebengebäude, welches als Pferdestall diente, war nichts als eine schwarze, regennasse Bretterbude.
„Hier wollen Sie doch nicht etwa einkehren?“
Andrej hatte klatschnasse Füße, und seine Laune war dementsprechend düster. „Wenn Sie die Annehmlichkeiten Ihres St. Petersburger Stadthauses vermissen, Comtesse, dann hätten Sie besser daheimbleiben sollen.“
Trotzig biss sie sich auf die Lippen. Was für ein ungehobelter Klotz er nur war. Nein, es war sicher keine gute Idee, sich von ihm nach Perm begleiten zu
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