Die Geliebte des Kosaken
reichen.
„Zieh die Stiefel aus“, ordnete er an, „wir überqueren hier den Fluss.“
Natalja, die geglaubt hatte, er wolle nur zum Ufer reiten, um die Pferde zu tränken, riss erschrocken die Augen auf. „Durch den Fluss? Wie soll das gehen? Wir werden ertrinken!“
„Aber nein, Angsthase. Dies hier ist eine Furt, und es ist im Sommer völlig ungefährlich, sie zu benutzen.“ Er redete jetzt im ruhigen, freundlichen Ton des großen Bruders zu ihr, um ihr die Angst zu nehmen. Sie war ganz bestimmt noch nie zuvor durch eine so tiefe Furt geritten.
„Und weshalb soll ich dann die Stiefel ausziehen?“, beharrte sie und beschattete die Augen mit der Hand, um herauszufinden, wie weit es wohl bis zum anderen Ufer sein könnte. Es erschien ihr unglaublich weit entfernt.
„Weil es sein könnte, dass deine Füße dabei ein wenig nass werden“, erklärte er geduldig. „Aber du musst keine Sorge haben – dein Brauner ist ein ruhiges und zuverlässiges Tier.“
Ihr war himmelangst, doch sie wollte sich auf keinen Fall etwas anmerken lassen. Also nickte sie zum Einverständnis, worauf Andrej vom Pferd stieg und ihr dabei half, sich ihres Schuhwerks zu entledigen.
„Bleib dicht hinter mir und lass dem Braunen die Zügel frei.“ Andrej lenkte sein Pferd vorsichtig das steile Ufer hinab und dann ins flache Wasser hinein, wo er den Tieren Gelegenheit gab, sich satt zu trinken. Es schien tatsächlich ganz einfach zu sein, denn die kleinen, bräunlichen Wellen reichten den Pferden gerade bis zu den Knien, nur die vielen Mücken, die sich auf Pferd und Reiter stürzten, waren lästig. Je mehr sie sich jedoch der Flussmitte näherten, desto seltener wurden die Plagegeister, dafür rauschte das Wasser jetzt immer lauter, und Natalja spürte mit Unbehagen, dass die Strömung den Tieren zu schaffen machte. Sie tauchten jetzt ihre Bäuche in die Flut und schnaubten nervös, im aufgewühlten Wasser war der Grund nur schlecht zu sehen. Natalja schaute sehnsüchtig zum anderen Ufer hinüber und hatte das deprimierende Gefühl, dass die Tannen und hohen Fichten dort drüben nur wenig näher gekommen waren. Immer noch ritt sie dicht hinter Andrej, der sich ab und zu im Sattel umdrehte und ihr ermutigend zulächelte. „Gleich haben wir die Mitte passiert – dann ist es nur noch ein Kinderspiel.“
Die spiegelnden Wellen stiegen immer höher, schon musste sie den Sarafan raffen, ihre Füße waren längst ins Wasser eingetaucht. Der Braune bewegte sich unruhig, er schien kein Freund von großen Flüssen zu sein, denn er schüttelte widerwillig die Mähne und setzte seine Tritte langsam und unsicher.
„Keine Angst!“, rief Andrej, und Natalja sah voller Entsetzen, dass sein Pferd offensichtlich den Boden unter den Füßen verloren hatte und schwamm. Gleich darauf schwappten die Flusswogen über ihren Sattel, der Braune ruderte verzweifelt im Wasser, die Wellen um sie buckelten und schäumten, schlugen ihr bis über die Brust, und sie klammerte sich an die Mähne ihres Tieres. Panik erfasste sie, es gab plötzlich nichts mehr als die reißenden, gierigen Flusswellen, die an ihr zerrten und sie vom Pferd ziehen wollten. Sie hörte noch Andrejs tiefe Stimme, die ihr etwas zurief, doch ihre Angst und das Rauschen des mächtigen Stroms ließen die Worte unverständlich werden. Dann gab es plötzlich einen Ruck, der Sattelgurt war gerissen, und sie rutschte seitlich in die braune Flut hinein.
Das Wasser schlug über ihr zusammen, sie spürte einen harten Stoß in die Seite und begriff, dass eines der rudernden Beine des Braunen sie getroffen hatte. Dann riss die Strömung sie mit sich fort, so stark und unerbittlich, dass es ihr kaum gelang, sich an der Wasseroberfläche zu halten. Keuchend mühte sie sich, hustete, schluckte das braune Flusswasser, kämpfte gegen den tödlichen Sog und merkte endlich voller Entsetzen, dass irgendetwas an ihrem linken Bein hing, das sie am Schwimmen hinderte. Eine Schlingpflanze, die sie in die Tiefe ziehen würde? Ein Flusstier, das sie fressen wollte? Gellend schrie sie auf, sah nichts mehr als die gleißende Sonne und die heraneilenden Wellen, ruderte mit letzten Kräften, spürte, wie das Wasser ihr in Mund und Nase drang und der mächtige Fluss sie unwiderstehlich auf seinen Grund zog.
Danach war Stille, geräuschloses Dahintreiben im kühlen Reich der Schatten, bräunliche Gräser wehten unter ihr in der Strömung, grünlich überwachsene Steine schienen einladende Ruhepolster im
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