Die Geliebte des Kosaken
Schuld“, brachte er schließlich mühsam hervor und musste sich räuspern, weil seine Kehle wie zugeschnürt war, „ganz allein meine Schuld, Natalja. Dieser verdammte Sattelgurt ist gerissen, und du bist zu allem Überfluss mit dem Fuß im Steigbügel hängengeblieben.“
Natalja wandte jetzt den Kopf, und er erkannte erleichtert, dass ihre Züge sich belebten. „Der Steigbügel?“, rief sie erstaunt. „Meine Güte – und ich habe geglaubt, der Wassergeist hätte meinen Fuß gefasst, um mich in die Tiefe zu zerren!“
Sie sagte es mit solch ehrlicher Überzeugung, dass er sie verblüfft anstarrte, unsicher, ob er lachen sollte oder besser ernst blieb. Dann sah er, wie sich auf ihren Wangen zwei kleine Grübchen bildeten – sie lächelte, schwach noch, aber immerhin.
„Du kannst nichts dafür, dass der Sattelgurt gerissen ist, Andrej“, widersprach sie mit leisem Kopfschütteln. „Solche Dinge passieren eben – es war einfach Pech.“
Er war gerührt von ihrer Großmut. Was für ein Mädchen – gerade noch war sie durch seine Schuld fast ertrunken, er hatte ihr Schamgefühl zutiefst verletzt, und sie machte ihm nicht einmal Vorwürfe. „Nein“, entgegnete er düster, „ich hätte mich vorher versichern müssen, dass dein Sattel in Ordnung ist. Es tut mir sehr leid, Natalja. Auch dass ich dir die nassen Kleider ausgezogen habe …“
Sie hob den Kopf und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Reden wir nicht mehr davon“, unterbrach sie ihn hastig. „Du hast getan, was getan werden musste.“
Er begriff, dass es besser war, dieses Thema nicht weiter zu vertiefen. Auf jeden Fall hatte sie es ihm wohl nicht weiter übelgenommen. Nur war das jetzt gut oder schlecht für ihn? Er beschloss, später darüber nachzugrübeln, und sann darauf, ihr zu beweisen, dass er ihr dankbar war.
„Ich denke, dass wir doch nach Nowgorod reiten sollten“, schlug er vor. „Wir werden einen Sattel für dich kaufen und vernünftige Reisekleidung.“
Sie nahm sein Friedensangebot an und nickte huldvoll. „Eine Nacht in einem richtigen Bett wird uns beiden guttun“, fügte sie hinzu. „Es werden sich sicher zwei kleine Zimmer finden lassen.“
Er war immer noch viel zu zerknirscht, um ihr zu widersprechen. Gut – sollte sie ihr weiches Bett haben, sie hatte es sich verdient.
Er überließ ihr sein Pferd und stieg auf den ungesattelten Braunen, seine nassen Kleider ließ er am Körper trocknen. Schmunzelnd stellte er fest, dass sie schon wieder munter hinter ihm hertrabte, den Rock des Reisekleides bis zu den Knien hochgerafft, das feuchte Haar wehte offen um ihre Schultern und trocknete im warmen Sommerwind. Sie war tatsächlich zäh, diese zierliche Comtesse.
Am späten Nachmittag tauchten endlich die Türme der alten Handelsstadt Nowgorod vor ihnen auf. Schräg fielen die Sonnenstrahlen auf die gelblichen Mauern des Kremls, ließen die vergoldete Kuppel der Sophienkathedrale aufblitzen und beleuchteten die zahlreichen spitzen und runden Türmchen der alten Handelskirchen. Dahinter war das breite Flussbett des Wolchow zu erkennen, ein mattsilbriges Band, das die Lebensader der Stadt bildete.
„Am besten, du bindest dein Haar jetzt wieder zusammen“, bemerkte er mit Blick auf ihre lange, goldfarbene Mähne, die im Wind getrocknet war und ihr weich und üppig über die Schultern fiel.
Brav flocht sie ihr Haar zu einem dicken Zopf und wickelte einen Faden darum. „Soll ich noch dazu das Kopftuch umbinden“, fragte sie belustigt, erhielt jedoch keine Antwort.
Andrej trieb den Braunen so eilig wie möglich durch die Gassen der Stadt, hielt dabei nach einer einigermaßen anständigen Unterkunft Ausschau und ließ Natalja keine Zeit, ihr Pferd anzuhalten, um sich neugierig umzusehen. Die Häuser waren fast alle aus Holz, einige zweistöckig und reichgeschmückt, andere niedrig und schon halb verfallen. Es herrschte geschäftiges Treiben in den schmalen Gassen, immer wieder musste Andrej sich durch lautes Rufen und Schimpfen den Weg bahnen, beladene Fuhrwerke kamen ihnen entgegen, zerlumpte Kinder bettelten sie an, alte Frauen standen in den Hauseingängen und boten Waren feil.
„Was für ein Durcheinander!“, staunte Natalja begeistert. „Schau nur, die schönen Melonen. Wollen wir eine davon kaufen?“
„Nein“, gab er kurz angebunden zurück. „Bleib dicht hinter mir und komm ja nicht auf die Idee, vom Pferd zu steigen. Wir reiten über die Brücke zum Markt.“
Er hatte guten Grund, so
Weitere Kostenlose Bücher