Die Geliebte des Kosaken
schmeichelnde Stimme des Gefängsnisdirektors Scharin, der tat, als sei dieser späte Besuch eine ganz besondere Ehre für ihn. In Wirklichkeit wünschte Scharin den Rittmeister ebenso zum Teufel wie er selbst, denn dieser war müde und wollte endlich schlafen gehen. Die Tür zu Scharins Wohnung wurde geschlossen, und Oleg konnte nichts mehr hören. Er starrte auf den dämmrigen Hof, wo zahllose Insekten im Lichtkreis der Laterne schwärmten und die beiden Wächter sich inzwischen wieder ihrem Fläschchen zugewandt hatten. Geduld – Sokolow würde ganz sicher nicht lange bleiben, er hatte irgendwo im Ort ein Mädel und würde sich bald zu ihr aufmachen.
Er fuhr zusammen, denn die Tür wurde wieder aufgerissen, Stiefel dröhnten auf der Treppe, er hörte das Gelächter zweier Männer, ohne Zweifel Scharin und Sokolow.
„Eine ganz und gar verrückte Geschichte, mein lieber Rittmeister“, sagte Scharin.
„Sie sagen es, Petr Denissowitsch. Und dazu scheint sie wahr zu sein.“
Während der Riegel seines Zimmers zurückgeschoben wurde, setzte sich Oleg rasch an den Tisch und zog sich ein Buch heran, denn man sollte glauben, er sei den Abend über in einen Roman vertieft.
„Seien Sie gegrüßt, lieber Oleg Pawlowitsch!“, rief der Rittmeister. „Verzeihen Sie die Störung zu so später Stunde –Sie haben doch wohl noch nicht geschlafen?“
Oleg erhob sich höflich und verneinte. Die beiden Männer waren großartiger Laune, Sokolow klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter, während Scharin eine gefüllte Flasche und drei Gläser auf den Tisch stellte. Man hatte Wein mitgebracht – offensichtlich gab es etwas zu feiern. War der arme Sokolow gar befördert worden? Hatte man ihn nach Moskau oder St. Petersburg beordert? Zum Kuckuck mit diesem Trottel, er brachte den ganzen Plan durcheinander.
„Es gibt eine phantastische Neuigkeit, lieber Oleg Pawlowitsch“, verkündete Sokolow, „eine ganz und gar romantische Geschichte, man könnte wirklich neidisch auf Sie werden.“
Oleg trank einen winzigen Schluck aus dem dargebotenen Glas, und sein Hirn arbeitete dabei mit großer Geschwindigkeit. Eine romantische Geschichte? Neidisch? Hatte man am Ende seine Affäre mit der kleinen Katjuscha bemerkt und wollte ihm das Mädchen jetzt ans Bein binden? Eine Hochzeit im Gefängnis – Sibirien in Begleitung der treuen Ehefrau? Plötzlich wurde ihm schlecht, und er stellte das Glas rasch wieder auf den Tisch zurück.
„Was für eine romantische Geschichte?“, fragte er mit schwacher Stimme.
„Nun, lieber Oleg Pawlowitsch – Sie sind nun einmal ein ganz verfluchter Kerl, der die Frauen verzaubern kann“, sagte der Rittmeister schmunzelnd und warf Scharin einen verschwörerischen Seitenblick zu. „Sie haben uns gar nichts davon erzählt, dass Sie verlobt sind.“
Oleg, der schon das Schlimmste befürchtet hatte, beruhigte sich wieder ein wenig. Nein – es ging nicht um Katja, Gott sei Dank. Scheinbar hatte die ganze Geschichte etwas mit Natalja zu tun. Eine verrückte Hoffnung erwachte in ihm. Hatte die Großfürstin Galugina ihn am Ende freigekauft? Weil die kleine Natalja sie darum angefleht hatte? Die Großfürstin pflegte beste Beziehungen zu Fürst Berjow, der ja überall seine Finger im Spiel hatte …
„Nun“, stotterte er, „es ist eine allzu schmerzliche Erinnerung, meine Herren. Sie verstehen: Ein Mann hält um eine bezaubernde junge Frau an, erhält ihre Hand und verlobt sich, glaubt sich auf dem Gipfel des Glücks und dann …“
Sokolow legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter und reichte ihm dann schwungvoll das kaum berührte Glas. „Trinken wir auf die Frauen, Oleg Pawlowitsch!“
Jetzt war Oleg schon fast davon überzeugt, dass seine Vermutung richtig war. Man hatte eine große Summe für ihn hinterlegt, man würde ihn in Freiheit setzen – Natalja, die kleine Teufelin, hatte das für ihn arrangiert. Gott segne sie.
„Auf die Frauen und auf die Liebe!“, rief er aus und schüttete den Inhalt des Glases herunter. Der Wein war süßlich und schmeckte nach Lack – aber egal.
„Heute Abend meldete ein Bote aus St. Petersburg, dass Ihre Braut Natalja Iwanowna Galugina unterwegs nach Perm ist. Was sagen Sie dazu?“
Oleg schluckte und wusste dazu gar nichts zu sagen. Unterwegs nach Perm? Mit dem ganzen Geld? Das war ja Wahnsinn – sie konnte überfallen und beraubt werden. „Ich … ich bin erstaunt. Sie ist unterwegs hierher? Doch wohl nicht allein, sondern in Begleitung
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