Die Geliebte des Kosaken
verkneifen. „Bei der Menge an Frauen, die du gekannt hast, ist das ein großes Kompliment.“
„Ja, ich weiß“, knurrte er, „ich bin ein Dieb, ein Betrüger und dazu noch ein Hurenbock. Ich überfalle wehrlose Kaufleute, kassiere Wegegelder, prügele mich mit Kosaken herum und kaufe ihnen Frauen ab …“
„Sei still!“
„Nein. Ich bin ein haltloser Mensch, der dubiose Geschäfte macht und Leute betrügt. Kannst du mir erklären, warum du heute Nacht zu mir zurückgekommen bist?“
„Wieso willst du das wissen?“
„Weil ich mir darüber Gedanken mache.“
„Ich brauche einen Begleiter, das weißt du doch.“
„Du hättest mit meinem Pferd und deinem Geld zum nächsten Ort reiten können, um dir einen anderen zu mieten. Wjatka ist nicht weit von hier …“
„Ich weiß“, schnaubte sie ärgerlich, „aber ich will keinen anderen. Ich will, dass du mich begleitest.“
Er schwieg, doch sie spürte an seinem heftigen Atmen, dass ihm ihre Antwort gefallen hatte.
„Warum willst du das?“, forschte er weiter.
„Ich bin an dich gewöhnt, Andrej.“
„Aha …“ Es klang enttäuscht.
„Und … ich schätze dich“, fügte sie vorsichtig hinzu.
„Einen Betrüger und Gauner?“
Sie stieß ärgerlich die Luft aus und schüttelte unwillig den Kopf. „Was willst du mit dieser Fragerei eigentlich erreichen?“
Er begriff, dass er weiter nicht gehen durfte, und fasste ihre Hände, um die Zügel mit ihr gemeinsam zu halten. „Schon gut“, beschwichtigte er sie, „manchmal überkommt mich die Neugier, und ich frage dummes Zeug.“
Sie ritten die ganze Nacht hindurch, langsam und wie traumverloren setzte das Pferd seine Schritte, während Natalja sich an Andrej lehnte und immer wieder sanft einnickte. Seine Arme hielten sie sicher im Sattel, und nur hin und wieder spürte sie im Halbschlummer, dass er seine Wange an ihrem Haar rieb.
Gegen Morgen war sie so fest eingeschlafen, und er hatte Mühe, sie auf dem Pferd zu halten, doch er wollte sie nicht wecken, sondern betrachtete nur schmunzelnd ihr Gesicht, das im Schlaf rosig und entspannt war. Sie sah bezaubernd aus, wenn sie schlief, unschuldig wie ein verträumtes Kind, und zugleich verlockten die halb geöffneten, vollen Lippen zu leidenschaftlichen Küssen.
Der Wald öffnete sich zu einem flachen Tal hin, und er stellte erstaunt fest, dass es hier Wiesen und Felder gab, ein kleines Dörfchen duckte sich unter dem ersten Schein der Morgensonne in die Senke hinein. In einiger Entfernung war das Gebäude eines Gutshofes zu sehen, der jedoch in keinem guten Zustand zu sein schien, denn das Gebüsch hatte den unteren Teil des Wohnhauses fast schon überwuchert. Auch war auf den ersten Blick zu erkennen, dass die Felder voller Gestrüpp und Unkraut waren und die Zäune um die Wiesen schadhaft. Weder Kühe noch Schafe waren zu sehen, das ganze Anwesen machte einen seltsam verlassenen und heruntergekommenen Eindruck.
„Aufgewacht, Langschläferin“, murmelte er ihr ins Ohr. Natalja fuhr erschrocken zusammen, es war ihr peinlich, dass sie so tief geschlummert hatte, während er die ganze Zeit hatte wach bleiben müssen.
„Warum hast du mich nicht geweckt?“
„Das tue ich gerade. Schau dir das an – was hältst du davon?“
Sie rieb sich verschlafen die Augen und blinzelte in die Morgensonne.
„Ein Gutshof – das ist ja wunderbar, Andrej. Wir können dort ein wenig ausruhen, etwas Gutes essen und vielleicht sogar eine Nacht in einem richtigen Bett verbringen.“
„Ist das dein Ernst?“, fragte er mit unverhohlenem Grinsen.
Sie errötete und runzelte die Stirn. „In zwei richtigen Betten, wollte ich sagen.“
Er seufzte. Waren sie wieder beim alten Thema angelangt. „Mir gefällt dieses Anwesen nicht“, gab er zu bedenken, „es hat etwas von einem verwunschenen Ort.“
Sie ließ den Blick schweifen und begriff, was er meinte. „Nun ja – schaut alles etwas heruntergekommen aus. Auf dem Gut meiner Großmutter herrscht mehr Ordnung. Aber was soll’s? Reiten wir hin – sie sind bestimmt froh, dass in dieser einsamen Gegend Gäste vorbeikommen.“
Beim Näherreiten stellten sie fest, dass einige der Felder zertrampelt waren, man hatte Rüben und Kohl herausgerissen, sogar das noch unreife Korn war an einigen Stellen abgeschnitten worden. Natalja schüttelte verständnislos den Kopf, während Andrej das Gutsgebäude mit misstrauischen Blicken betrachtete. Keine Menschenseele zeigte sich im Hof, nicht einmal Hühner oder ein
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