Die Geliebte des Kosaken
Händen ins Feuer, warf die brennenden Äste auseinander und fand endlich seine Pistole. Sie war schwarz verbrannt, der eingelegte Griff war für immer ruiniert, er hätte vor Wut und Jammer heulen können.
Da erst hörte er die Hufschläge und begriff, dass das Vögelchen entkommen war.
Keiner der Kosaken hatte daran gedacht, Andrejs Pferd abzusatteln. Ein Glücksfall für Natalja, die sich in aller Eile auf seinen Rücken schwang und davonritt.
Sie brauchte das Pferd kaum anzutreiben, denn es suchte sich selbst seinen Weg durch den dichten Wald, fand sich in der nun einfallenden Dämmerung bestens zurecht und schien ein Ziel vor Augen zu haben. Natalja ließ ihm die Zügel lang und hoffte inständig, dass das Tier nicht etwa zum Fluss hinunterlaufen wollte, um sich dort satt zu trinken. Sie musste in westlicher Richtung reiten, dorthin, wo jetzt die Abendsonne durch die Stämme schimmerte, doch der schmale Pfad, dem das Tier jetzt folgte, schien ihr viel zu steil nach Norden zu führen. Dennoch strebte das Tier eilig voran, und da sie im Dickicht keine Chance sah, die Richtung zu ändern, beschloss sie, auf den Instinkt des Pferdes zu vertrauen.
Die Dämmerung senkte sich rascher über den Wald, als ihr lieb war. Bald erschienen Zweige und Äste grau, die Lichtstrahlen, die durch das Dach der Baumkronen hindurchdrangen, waren matt und erreichten den Boden nicht mehr. Ein großer Nachtvogel schwebte an ihr vorüber und verschwand im dichten Blattwerk, dann erklang der Ruf eines Käuzchens. Natalja erschrak, denn sie erinnerte sich plötzlich daran, dass ihr Kindermädchen immer davon geredet hatte, dass der Schrei eines Käuzchens den Tod eines nahestehenden Menschen ankündige. Die Großmutter hatte dem Mädchen später verboten, die kleine Natalja mit ihren Ammenmärchen zu erschrecken.
Und überhaupt hatte das Käuzchen fast jeden Abend geschrien, seit sie unterwegs waren. Trotzdem wurde es Natalja jetzt bang zumute. Was würde sie tun, wenn es ganz dunkel war? Dann würde sie ihren Ritt auf keinen Fall fortsetzen können. Oder doch? Andrejs Pferd trabte immer noch munter voran und schien nicht müde zu werden.
Ein seltsamer Laut schreckte sie aus ihren Gedanken. Es klang wie das Gebrüll eines großen Tieres, weit entfernt zwar, aber dennoch unheimlich und bedrohlich. Großer Gott – war das ein Bär? Auch ihr Pferd reagierte und blieb stehen. Wieder hörte man das Brüllen, zornig und angriffslustig. Das Pferd schnaubte, tat unsicher ein paar Schritte, zögerte und stand wieder still.
Natalja saß unbeweglich im Sattel und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Es war ganz sicher gefährlich, weiter in diese Richtung zu reiten, sie würde das Reittier wenden müssen, doch möglichst ohne allzu viel Gesträuch dabei umzuknicken. Auf keinen Fall durften sie Lärm machen und den Bären damit anlocken.
Sie gab dem Tier die nötigen Hilfen, es drehte den Hals und schien verstanden zu haben, dass es darum ging, möglichst unauffällig kehrtzumachen. Da hörte sie plötzlich etwas Erstaunliches: „Hau ab, du dreckiger Kerl! Verschwinde!“
Ein erneutes Brüllen folgte, und Natalja riss das Pferd herum. Es war Andrejs Stimme gewesen. Großer Gott, er schien dort hinten irgendwo mit einem Bären zu kämpfen.
„Andrej! Andrej – ich komme!“, schrie sie, so laut sie konnte, und trieb das Pferd kräftig an. Das Unterholz knackte unter den Hufen des Tieres, das jetzt mitten durch das Dickicht stürmte, Zweige peitschten ihr ins Gesicht, ein dicker Ast hätte sie fast aus dem Sattel gefegt – da hatte sie die Lichtung erreicht.
Trotz der Dämmerung erkannte sie die Silhouetten der grauen Wölfe, die eilig und lautlos davonstrebten, als ihr Pferd mit lautem Knacken aus dem Wald brach.
„Andrej!“
Er lag noch gefesselt auf seinem Stein und starrte sie an wie eine Geistererscheinung. „Das gibt’s nicht“, krächzte er heiser, während sie schon die Satteltaschen nach einem Messer durchwühlte. Sie fand ein Klappmesser, kniete damit neben ihm nieder und säbelte an seinen Fesseln herum.
„Langsam – du schneidest dir gleich in die Finger …“
Mühsam richtete er sich auf, seine Arme waren fast gefühllos, vor seinen Augen tanzten Lichtflecke, und dazwischen erschien ihm Nataljas Gesicht, das sich eben noch über ihn gebeugt hatte, ihr Haar, das auf seine Brust hinabhing, während sie wie eine Besessene seine Fesseln durchtrennte.
„Nadenka – wie hast du das gemacht?“, murmelte er und
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