Die Geliebte des Kosaken
streckte den Arm nach ihr aus.
Doch sie war längst davongelaufen, um die Wasserflasche aus der Satteltasche zu holen. Sie schlang den Arm um ihn, stützte ihn beim Trinken und sorgte dafür, dass kein einziger Tropfen des kostbaren Wassers verlorenging. Schließlich ließ er ermattet den Kopf gegen ihren Arm sinken und schloss die Augen.
„Dieses Mal habe ich fast schon geglaubt, dass es mit mir zu Ende sei“, murmelte er erschöpft.
Sie hielt ihn lächelnd im Arm und strich ihm mit einer zärtlichen Bewegung das Haar aus der Stirn. Es war ein ganz neues Gefühl, dass er schwach war und sie ihn beschützen konnte. „Das hast du mir nicht zugetraut, was?“
Er öffnete die Augen, und sie konnte in der Dämmerung gerade noch erkennen, dass er schon wieder grinste. „Diese verdammten Wölfe wollten mich auf ihre Speisekarte setzen, was für ein passender Abgang für einen Gauner und Betrüger …“
Sie schauderte und begriff, dass er gebrüllt hatte, um die Wölfe von sich fernzuhalten. Vorsichtig zog sie ihn näher zu sich heran und legte ihren Kopf auf seine Brust.
„Ich hatte solche Angst, dich nicht wiederzufinden“, gestand sie, „es war dein Pferd, das sich an den Ort erinnert hat.“
Er strich mit der Hand über ihr Haar und genoss das Gefühl ihrer Nähe. Sie war den Kosaken entkommen und hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als ihn zu suchen. Warum hatte sie das getan? Andrej entzog sich sanft ihrer Umarmung und setzte sich auf. Was er sah, war so schön und verführerisch, dass ihm fast der Atem stockte. Das zarte Oval ihres Gesichtes, umrahmt von den wirren Flechten des aufgelösten Haares, die sich auf ihrer bloßen Haut ringelten, denn ihre Bluse war fast vollständig geöffnet. Er spürte, wie die Leidenschaft in ihm aufstieg, und zugleich wagte er nicht, dem mächtigen Impuls, sie an sich zu reißen, nachzugeben. Was er wirklich ersehnte, war mehr, viel mehr. Ganz vorsichtig berührte seine Hand ihre Schulter, strich sanft über ihren Nacken, grub sich in ihr weiches Haar und zog dann langsam ihren Körper zu sich heran. Sie ließ es geschehen, sank an seine Brust und schmiegte sich an ihn und spürte wohlig seine erregende Wärme. Eine Weile saßen sie still, verspürten beide die Furcht, diese enge Vertrautheit durch Worte zu zerstören, lauschten auf die Geräusche des nächtlichen Waldes und auf ihre eigenen klopfenden Herzen.
Es war Natalja, die als Erste wieder in die Wirklichkeit zurückfand. „Ich glaube, ich habe ihn umgebracht“, flüsterte sie zitternd.
„Wen?“
„Bogdan. Ich habe ihm mit einem Knüppel ins Genick geschlagen, und er ist kopfüber ins Feuer gestürzt. Es ist schrecklich, Andrej. Ich habe niemals geglaubt, dass ich zu so etwas fähig wäre, aber er hat … er wollte …“
Andrej konnte sich angesichts der offenen Bluse gut vorstellen, was Bogdan gewollt hatte, und er presste Natalja an sich. „Der ist ein harter Bursche und stirbt nicht gleich an einem Stockhieb“, meinte er grimmig.
„Aber ich habe fest zugeschlagen.“
„Ja, ich weiß, Comtesse. Sie haben einen kräftigen Schlag am Leibe.“
„Hör auf, dich über mich lustig zu machen!“
„Das tue ich nicht“, gab er lächelnd zurück, „ich mache mir eher Gedanken, ob er dir gefolgt ist und möglicherweise gleich hier auftauchen wird.“
„Aber nein. Niemand ist mir gefolgt.“
„Lass uns trotzdem hier verschwinden, Natalja. Suchen wir uns einen anderen Platz für die Nacht.“
Sie war einverstanden. Wie seltsam das war – mit Andrej an ihrer Seite fürchtete sie weder ein Nachtlager mitten im Wald noch irgendwelche Verfolger. Sie stieg zu ihm aufs Pferd, saß vor ihm und fand es ganz natürlich, dass er die Arme um sie schloss, während sie die Zügel führte. Langsam schritt das Tier durch den schmalen Waldpfad in die tiefe Dämmerung hinein.
„Weit werden wir nicht mehr kommen“, raunte er ihr ins Ohr, „aber trotzdem solltest du während des Rittes besser deine Bluse schließen. Die Nacht ist kühl.“
Lächelnd spürte sie seine Finger, die an dem offenen Kleidungsstück nestelten und dabei ausgiebig ihre Haut berührten. Er schloss die Bluse tatsächlich, band die Schnüre liebevoll zu einer Schleife und legte schützend eine Hand darüber. Dann küsste er sie sacht auf die Schulter.
„Nadenka“, murmelte er zärtlich, „du bist die mutigste Frau, die ich jemals kennengelernt habe.“
Sie spürte, wie ernst er es meinte, konnte sich aber die Antwort nicht
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