Die Geliebte des Piraten
dein Ruf es dir zuschreibt, dann würdest du …«
Mit nur einem Schritt war Raiden bei ihr, drückte sie rücklings gegen die Wand. Er stieß anzüglich mit den Hüften, als er sich an sie presste. »Dann würde ich was, Mylady?«
Willa sah in seine Augen, und die Qual darin erinnerte sie an ein gefangenes Tier, das um seine Freiheit kämpfte. »Dann würdest du deine Versprechen erfüllen.«
»Zum Teufel mit dir, Willa!« Er hieb die Fäuste rechts und links ihres Kopfes gegen die Wand, und Willa zuckte zusammen. »Fordere mich nicht heraus«, knurrte er, »wenn ich es wollte, könnte ich dich jetzt nehmen, gleich hier, an dieser Wand oder auf dem Fußboden.«
Er hatte dies gesagt, um sie zu verletzen, sie wegzustoßen, das wusste Willa, und sie versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen, um ihm zu antworten. »Deine schlechten Manieren jagen mir keinen Schrecken ein, Montegomery.«
»Das sollten sie aber.«
Er küsste sie. Es war ein harter, ein strafender Kuss, und Willa ließ es geschehen, bis sie mit all der in ihr steckenden Wildheit dagegen anzukämpfen begann. Und sie zeigte ihm damit, dass sie keine Angst vor ihm hatte, weder vor seinem Zorn noch vor der Hässlichkeit seiner schwarzen Seele. Raiden fasste unter ihre Röcke. Er legte die Hände um ihren nackten Po und riss sie an sich, um sie seine Härte spüren zu lassen.
Willa legte die Hände um sein Kinn, und die Zärtlichkeit, mit der sie ihn berührte, stach Raiden wie ein Pfeil mitten in die Seele. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde sein Kuss sanfter, weicher.
»Du glaubst, dass du ein böses Herz hast«, hauchte sie an seinen Lippen, »in dem es keinen Platz für die Liebe gibt.«
Liebe. Oh, Gott im Himmel. »Liebe ist etwas für betrunkene Dichter.«
Raiden nahm wieder ihren Mund in Besitz, seine Zunge drängte sich heiß und fordernd zwischen ihre Lippen. Raiden versuchte, den tiefen Schmerz in sich zu lindern, dessen Pein so unerträglich war, dass er glaubte, ihn laut herausschreien zu müssen. Selbst ohne ihr Ehegelübde war Willa ihm verwehrt. Denn er würde kalten Blutes einen Mann töten, um seine Rache zu üben und um in Frieden zu sterben. »Liebe mich nicht, Willa. Niemals.« Es würde ihr Tod sein.
»Mein Ehegelübde«, wisperte sie, »regiert nicht mein Herz.«
Er richtete sich auf. Seine Augen waren so schwarz wie der Nachthimmel. »Gebt Euch nicht solchen Fantasien hin, Lady Eastwick. Denn ich werde sie alle zerstören.«
Er stieß Willa von sich und griff nach seinem blutbefleckten Schwert, während er mit großen Schritten zur Tür ging.
Willa zuckte zusammen, als er die Tür hinter sich zuschlug.
Sie wischte die heißen Tränen fort und berührte mit den Fingerspitzen ihre geschwollenen Lippen. Dann atmete sie tief ein.
Sie konnte nicht mehr zu Raiden durchdringen, konnte ihn nicht mehr erreichen. Es war vorbei.
16
Banda Aceh,
an der Passage zu den Gewürzinseln
Nie hatte Willa ihre Einsamkeit stärker gespürt als in diesem Augenblick. Eine Frau allein unter gefährlichen Piraten. Hoffnungslosigkeit und das Gefühl der Verlassenheit erfüllten sie, als sie an der Reling der sich sanft im Wasser wiegenden Renegade stand. Das Schiff knarrte leise, und für Willa klang es in der Dunkelheit dieser Nacht wie ein jammervolles Wehklagen. Nicht einmal das entfernte Rauschen der Brandung besänftigte den Schmerz in ihrer Brust. Raiden hatte sie in der Kabine eingesperrt, nachdem sie Anker geworfen hatten. Erst bei Einbruch der Dämmerung war jemand gekommen, um sie herauszulassen. Es war Jabari gewesen – gesegnet sei sein unschuldiges Herz. Er kannte den wahren Grund nicht, aus dem die Tür verriegelt war. Er glaubte, es geschähe zu Willas Sicherheit an Bord. Doch sie wusste es besser.
»Wollt Ihr von hier fort?« Die Stimme erklang direkt hinter Willa. Verwirrt zuckte sie zusammen. »Dreht Euch nicht um«, kam es scharf, als sie sich umdrehen wollte. »Wollt Ihr fort?«
Willa versuchte die Stimme zu erkennen. Doch dann sagte sie sich, dass es ohne Belang sei und nickte schließlich. Sie musste fortgehen. Sie musste ihren Sohn finden, und Raiden war zu einem Mann geworden, den sie kaum wiedererkannte.
»Packt Eure Sachen und werft sie in jenes Langboot dort zu Eurer Rechten, dann versteckt Euch darin.«
Willa nickte. War das der Verräter? Warum half er ihr? War ihm nicht klar, dass Raiden ihn dafür töten würde? Sie berührte das in ihrem Mieder verborgene Messer. Willa vertraute jetzt niemandem
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