Die Geliebte des Piraten
nicht gegen mich, Frau.«
»Sonst geschieht was? Werdet Ihr mich schlagen? Oder mich ersäufen?« Ihre Gesichter waren sich so nah, dass sie sich fast berührten. »O nein, wie dumm von mir! Ich vergaß, dass Ihr ja keine wehrlosen Frauen angreift!« Sie gestikulierte mit ihren gefesselten Händen und setzte sich in das Boot, wobei sie ihm den Rücken zukehrte.
Raiden biss die Zähne zusammen und steckte die Pistole in seinen Gürtel zurück, ehe er das Boot vom Strand abstieß. Er war gerade dabei, hineinzuklettern, als seine Männer auftauchten, von ihren Pferden sprangen und in das Wasser liefen. Einige von ihnen zogen das zweite Boot aus seinem Versteck hervor und ließen es zu Wasser. Die Männer legten sich mit aller Kraft in die Riemen, während Raiden am Ruder saß. Die Männer musterten Willa abschätzend, und hin und wieder traf einer dieser Blicke auch Raiden.
Offensichtlich war sie nicht willkommen. Gut. Sie wollte auch nicht hier sein. Willa wusste zwar nicht, wo sie sich eigentlich befand, aber sie war sicher, den Weg zurück in die Stadt zu finden. Das hieß – vielleicht. Wie soll ich jetzt Mason finden?, fragte sie sich mit einem sehnsüchtigen Blick auf die Küste, während die Männer das Boot jetzt um eine Mole herum ruderten.
Und nun sah sie es.
Ein massiv gebautes dreimastiges Schiff dümpelte in der Lagune. Ein schwarzes Schiff. Die Segel, der Rumpf, die Geschützpforten – alles war schwarz. Selbst die Beschläge auf dem glänzenden nachtdunklen Holz waren tintenschwarz gestrichen. Willa wurde blass, und während ihr Boot sich dem Segler rasch näherte, drohte ihr das Herz beim Anblick der Galionsfigur vor Schreck stehen zu bleiben. Ein Racheengel, der Schwert und Schild in den Händen hielt. Zu schimmerndem schwarzen Glanz poliert, nur sein Gewand leuchtete silbern.
Und nur eine Sorte Mann segelte ein Schiff wie dieses. Langsam wandte Willa den Kopf und starrte Raiden an. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich, seine Haltung abweisend.
Der Schwarze Engel. Allmächtiger Gott.
»Piraten?« Willa sah die Männer einen nach dem anderen an. »Ihr seid Piraten!«
Die Männer grinsten sie an.
»Oh, ihr braucht gar nicht so stolz dreinzuschauen.« Sie versetzte dem neben ihr sitzenden Mann einen Stoß mit dem Ellenbogen. »Was würden eure Mütter dazu sagen?«
»Gar nichts, Lady, weil die Hälfte von uns keine gehabt hat.«
»Willst du meine Mom sein, Liebchen?«
Der junge Mann sah sie an, als würde man sie ihm mit einem Apfel im Mund und mit Pfefferminzsoße übergossen auf einem Silbertablett servieren. Sie schnitt ihm eine Grimasse und schaute zu Raiden. »Ich war mir sicher, dass Ihr irgendetwas Anrüchiges getan haben müsst – aber das?«
Raiden schwieg. Die Enttäuschung, die in ihren Worten mitklang, wand sich wie eine Fessel um sein Herz und erstickte jede Gegenrede. Sie hatte bereits etwas Schlimmes vermutet, aber jetzt hatte sie das ganze Ausmaß begriffen.
Als sie das Schiff erreichten, wurde eine Strickleiter heruntergelassen. Die Besatzung machte das Schiff fest, während Raiden die Hand nach Willa ausstreckte, um ihr die Fesseln durchzuschneiden. Sie schlug seine Hand zur Seite, aber er war größer und kräftiger als sie. Mit einem starken Ruck an ihrem Arm hob er Willa hoch, warf sie sich wie einen Getreidesack über die Schulter und kletterte die Leiter hoch.
Die Männer aus den Booten folgten ihnen. Sie schenkten dem Geschehen keine Beachtung. »Tut das nicht«, zischte Willa und krallte sich in seinem Hemd fest.
Raiden musste es tun. Noch immer sah er vor sich, wie der Offizier auf Willas Herz gezielt hatte, und dieses Bild trieb ihn dazu, sie so rasch wie möglich von hier fortzubringen. Er schwang sich mit einem Bein über die Reling und sprang auf das Deck. Während er den Weg zu seiner Kabine einschlug, gab er Befehl zum Ankerlichten. Er duckte sich durch die niedrige Tür, hinter der der Gang zum Zwischendeck lag, und trug Willa zu seiner Kabine, stieß mit der Schulter die Tür auf und ging zum Bett. Mit einem Schwung ließ er Willa darauf fallen. Sie landete auf den weichen Polstern, strich sich das Haar aus dem Gesicht und rappelte sich auf die Knie hoch. Raiden war bereits auf dem Weg zur Tür.
»Bringt mich sofort an Land!«
Ihr herrischer Ton veranlasste ihn, stehen zu bleiben und sich zu ihr umzudrehen. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand er vor ihr und musterte sie mit einem anmaßenden Blick. »Stellt mir keine Forderungen,
Weitere Kostenlose Bücher