Die Geliebte des Piraten
und offen gezeigt hatten, und wie verzweifelt ihr Vater nach Mutters Tod gewesen war. Er hatte seine Geschäfte schleifen lassen, und Willa hatte das Heft in die Hand nehmen müssen, bis ihr Vater seinen Kummer in den Griff bekommen hatte. »Vielleicht dachte Euer Vater, dass würde Euch stärker machen?« Obwohl sie nicht genau wusste, wie.
Nealy schnaubte abfällig. »Mein Vater hat mir beim kleinsten Vergehen die Seele aus dem Leib geprügelt, und als ich alt genug war, Ma’am, bin ich gegangen.«
»Vergebt mir, dass ich meine Nase in Eure Angelegenheiten gesteckt habe, Sir.« Es gibt so viel Schmerz in dieser Welt, dachte Willa und fragte sich, wie es Mason ohne sie ergehen mochte.
Nealy wischte ihr Mitgefühl mit einer Handbewegung beiseite. »Ich habe geschworen, dass ich meine Jungen niemals so behandeln würde.«
»Ist das der Grund, warum Ihr zur See fahrt statt ein Heim zu gründen?«
»Keine Frau würde mich zum Ehemann haben wollen.«
»Da wäre ich nicht so sicher, Mr Perth.« Er ist ein gut aussehender Mann, dachte sie, und durch seine Größe gefährlicher, als man auf den ersten Blick meint.
»Oh, die Ladys würden mich schon nehmen, Mädchen, nur nicht für sehr lange.«
»Seid Ihr sicher, dass nicht Ihr es seid, der nicht bleiben will?«
Im Dickicht war das Knacken und Rascheln von Zweigen zu hören, und Willa fuhr erschreckt herum. Instinktiv ließ sie die Hand in ihre Rocktasche gleiten, als das Rascheln näher kam. Kahlid und Jabari tauchten aus der Dunkelheit auf. Der Maure trug den Jungen auf seiner breiten Schulter. Ohne es zu merken, verschüttete Jabari Wasser aus den gefüllten Schläuchen, so dass Kahlid bei jedem Schritt nasser wurde, doch er nahm es geduldig hin.
»Durstig, Mylady?« Er spuckte das Wasser aus, das ihm in den Mund geflossen war, und lächelte, während er das Kind auf den Boden setzte.
Als Willa aufstand, verfing sich ihr Fuß im Rocksaum, und sie verlor das Gleichgewicht. Hätte Nealy Perth nicht geistesgegenwärtig zugepackt, wäre sie rücklings in die Flammen gefallen. Er riss Willa vom Feuer zurück und stellte sie behutsam auf die Füße. »Meinen Dank, Sil«, stieß sie keuchend hervor. »Das ist schon das zweite Mal, dass Ihr mich rettet.«
»Das ist meine Pflicht, M’lady, und bei dem Gewicht –«, er deutete auf ihr Kleid, »überrascht es mich eigentlich, dass Ihr nicht im Erdboden versinkt.«
Willa zupfte an dem schlaff herunterhängenden, schmutzigen Stoff. »Es ist ein wenig unpraktisch, nicht wahr?«
»Vielleicht solltet Ihr es wechseln.«
Willa wandte sich um, als sie diese Worte hörte. Ihre Schultern sackten vor Erleichterung zusammen, und sie atmete tief durch, als Raiden aus dem Blättergewirr auftauchte. Noch nie war sie so froh gewesen, ihn zu sehen. Fast schien es ihr, als habe sie mit angehaltenem Atem auf ihn gewartet. Er blieb am Rand des Feuerscheins stehen und sah Willa und die Männer der Reihe nach mit einem durchdringenden Blick an. Dann ging er zu Jabari und griff sich einen der Wasserschläuche. Er hielt ihn hoch und ließ sich einen dünnen Wasserstrahl in den Mund rinnen, ehe er ihn Willa anbot. Sie trat zu ihm und nahm den Schlauch. Erst jetzt bemerkte sie das Bündel, das er über der Schulter trug.
»Ihr habt ein Dorf gefunden?« Sie nahm einen großen Schluck von dem Wasser und sah Raiden abwartend an. Irgendetwas an seinem Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er sehr genau wusste, wo er sich befand und wohin er wollte. Und das Bündel sagte ihr, dass er gefunden hatte, wonach er gesucht hatte.
»Ja.« Er warf das Bündel auf den Boden und es landete vor Willas Füßen. Es waren zwei tote Affen.
Sie sprang angewidert zurück und raffte ihre Röcke, während sie Raiden anstarrte. »Diese Kreaturen werde ich nicht essen.«
»Entweder Ihr werdet sie essen oder Ihr werdet hungern. Und denkt daran, dass Ihr Eure ganze Kraft für diesen Ritt brauchen werdet. So wie wir alle«, fügte er hinzu. Willa runzelte die Stirn, als sie ihn so barsch sprechen hörte. Raiden ging mit großen Schritten zu Willas Satteltasche, hob sie auf und schlug den Weg zurück in den Dschungel ein. »Kommt mit«, war alles was er sagte, als er ihr die Hand hinstreckte.
»Wenn Ihr mich entschuldigen würdet, Gentlemen«, sagte Willa mit einem Blick zu den anderen. »Der Captain fühlt offensichtlich das Bedürfnis, übermäßig grob sein zu wollen.« Dann reckte sie das Kinn und legte ihre Hand in seine. Raiden zog sie mit sich in das
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