Die Geliebte des Piraten
uns Steine sammeln, die wir um das Feuer legen können«, schlug sie Jabari vor. Gemeinsam gingen sie auf die Suche. Jabari nahm seine Aufgabe überaus ernst, denn er weigerte sich, Willa unter dem Farnkraut oder dem Laub nachzuschauen zu lassen, ohne dass er zuvor nachgesehen hatte, dass ihr von dort keine Gefahr drohte. Willa spürte plötzlich, dass jemand hinter ihr stand, und fuhr herum.
»Kahlid.« Sie presste die Hand auf die Brust, in der das Herz heftig pochte.
»Vergebt mir, Mylady«, sagte er, während er sich verbeugte. »Ich wollte Euch nicht erschrecken.«
Willa neigte den Kopf zurück und erwiderte seinen Blick. »Ich glaube nicht, dass Ihr unter diesen Umständen eine Wahl hattet.«
Ein Lächeln überzog sein würdevolles Gesicht, und seine weißen Zähne hoben sich hell gegen seine dunkle Haut ab. »Ein Platz zum Schlafen«, sagte er und wies auf die Farnblätter, die neben dem Feuer zu einem Lager aufgeschichtet worden waren.
»Das ist sehr aufmerksam von Euch, Kahlid.« Die freundliche Geste überraschte sie.
Kahlid steckte seinen Krummsäbel in die Scheide zurück. »Ihr seid Montegomerys Frau.«
Montegomerys Frau, so kann man es ausdrücken, dachte Willa. Ein Teil von ihr wünschte sich, seine Frau sein, nicht das Verderben, das sein Leben bedrohte. Doch sie würde Kahlid nicht widersprechen. Denn wie Balthasar könnte er ihr mit einer Hand das Genick brechen. Allerdings hatte Kahlid freundliche Augen und wirkte sanft, trotz seiner gewaltigen Schultern und Arme.
»Ist der groß genug?«, hörte Willa Jabaris Stimme und wandte sich zu dem Jungen um, der einen Stein heranschleppte.
»Den hast du sehr gut ausgesucht.«
Jabari schaute zu Kahlid hoch. »Wir brauchen Wasser. Kommst du mit mir zum Fluss?«
Der Maure lächelte und zersauste dem Jungen das Haar. »Ja, ich werde deine Eskorte sein, kleiner Krieger.«
Jabari zog die Stirn kraus. »Ich brauche keine Eskorte«, widersprach er entrüstet. »Ich brauche jemanden, der stark genug ist, die Wasserschläuche zu tragen.«
Die Hand am Schwertgriff, stieß Kahlid ein tiefes, freundliches Lachen aus. »Beende aber erst deine Aufgabe.«
Willa musste ein Lächeln verbergen. Als sie sich umschaute, fiel ihr auf, dass Nealy sie beobachtete, während er mit Feuersteinen Funken schlug, um die trockenen Zweige in Brand zu setzen. Er hockte am Boden und blies Luft in die aufzüngelnde Flamme. Nealy hielt das Feuer niedrig und fast rauchlos, als Willa und Kahlid näher kamen.
Jabari bückte sich, um die Steine um die Feuerstelle zu legen. Dann betrachtete er sein Werk. »Noch drei mehr, denke ich, Madam.«
»Ich stimme zu, Sir.«
Der Junge lief davon.
Nealy schob sich den Dreispitz aus der Stirn und senkte den Kopf, um seine Erheiterung zu verbergen. »Der Junge hat eine Schwäche für Euch, Mädchen.«
Sie sah ihn scharf an. »Er nimmt nur seine Aufgabe sehr ernst. Er schuldet Raiden zu viel, um seinen Anweisungen nicht zu folgen.«
Nealy zog die Augenbrauen zusammen.
»Ibn Montegomery hat ihn vor einem Sklavenhändler gerettet«, sagte Kahlid. Hoch aufgerichtet stand er neben Willa, seine Haltung warnte jeden, näher zu kommen. So grimmig-entschlossen wie er jetzt als Beschützer war, so gefährlich wäre auch, ihn zum Feind zu haben.
»Das wusste ich nicht«, sagte Nealy.
Willa ließ sich auf das Lager aus Farnkraut sinken. »Der Captain neigt nicht dazu, sich mit seinen guten Taten zu brüsten.« Sie schaute zu Jabari hinüber, dessen ganze Aufmerksamkeit davon in Anspruch genommen war, zwei Steine gegeneinander abzuwägen und zu entscheiden, welcher am geeignetsten sei. »Er ist ein liebes Kind.«
»Es ist die Fürsorge einer Mutter, nach der er sich sehnt.«
»Welches Kind, das so vernachlässigt und missachtet wurde, tut das nicht?«
Nealy zog die grauen Augenbrauen zusammen und rieb sich übers Kinn. Ehe er etwas entgegnen konnte, kam Jabari herbeigelaufen und legte einen Stein auf den Boden. Dann schaute er Kahlid fragend an. Der hoch gewachsene Maure berührte Willa leicht an der Schulter, und sie nickte zustimmend. Kahlid und Jabari sammelten die Schläuche zusammen und verschwanden im Dschungel.
»Glaubt Ihr das denn nicht?«, fragte sie Nealy, als sie allein waren. »Über die Kinder, meine ich.«
»Ich wurde in dem Glauben erzogen, dass Mütter dafür da sind, die Erben zu gebären. Und dass die Väter und die Härte des Lebens den Mann formen.«
Willa dachte an ihre Eltern, an die Liebe, die sie füreinander empfunden
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