Die Geliebte des Prinzen
hätte ihre Mutter niemals alleinlassen dürfen …
„Erlauben Sie mir, Ihnen diese kleine Aufmerksamkeit zu erweisen“, bat ihr Begleiter lächelnd. „Dieses Vergnügen können Sie mir unmöglich abschlagen.“
Natürlich fiel es ihr schwer, ihm etwas abzuschlagen. Egal was.
Aber sie durfte nicht auf sein Angebot eingehen. Sie durfte ihm nicht vertrauen. Und diese luxuriösen Kleider, sosehr sie ihr gefielen, waren nicht für Leute wie sie gemacht. Nichts in dieser Luxusboutique hatte etwas mit dem wahren Leben zu tun.
„Und wo sollte ich die Sachen Ihrer Meinung nach tragen?“, fragte sie spitz. Er sollte auf keinen Fall merken, dass sie beinahe schwach geworden wäre. „Auf dem Weg zum Gemüseladen? Oder wenn ich die Post wegbringe?“
Er lächelte vielsagend. „Ich wüsste einige Gelegenheiten, zu denen Sie so etwas anziehen könnten. Oder auch ausziehen.“
Glühende Hitze stieg in ihr auf. Warum flirtete er mit ihr, als wäre sie eine begehrenswerte Frau, die er verführen wollte?
Es gab nur einen einzigen Grund, weshalb dieser skrupellose, milliardenschwere Prinz ein Interesse an ihr haben konnte: Er wollte sie benutzen, um sich zurückzuholen, was Alan ihm gestohlen hatte.
Sein Geschäft. Seine Braut.
Grace wandte sich demonstrativ ab. Von dem Mann, dem teuren Mantel, dem extravaganten Cocktailkleid. Von allem, was Luxus und Verschwendung bedeutete. Sie würde sich nicht verkaufen. Sie würde Alan nicht verraten.
„Nein.“ Tapfer kämpfte sie die Sehnsucht nach allem nieder, was ihr nie vergönnt sein würde. „Ich gestatte Ihnen, das Geschenk zu ersetzen, mehr nicht.“
Er zuckte die Schultern. „Es ist doch nur Geld, Grace.“
Nur Geld. Wie leicht konnte das jemand sagen, der mehr als genug davon besaß! Nur aus Geldmangel hatte sie ihr Studium abbrechen müssen, als ihr Vater starb. Nur aus Geldmangel musste ihre Mutter um jede Rechnung bangen, seit sie drei Söhne im Teenageralter, die jeden Tag den Kühlschrank leer aßen, allein durchbringen musste. Und nur aus Geldmangel stand ihre Familie jetzt kurz davor, das einzige Zuhause zu verlieren, das sie je gehabt hatte.
„Was haben Sie denn?“ Maxims silbergraue Augen ließen sie nicht los, lockten sie mit süßen Versprechungen und verlorenen Träumen. „Sagen Sie mir, was Sie wollen, Grace. Was wünschen Sie sich? Ein Wort, und es gehört Ihnen.“
„Nur ein paar Ratenzahlungen“, flüsterte sie.
„Wie bitte?“
„Ich … nein, nichts.“ Sie konnte doch Alans Feind nicht um ein Darlehen bitten! Als Gegenleistung würde er von ihr erwarten, dass sie ihren Chef ans Messer lieferte, und dazu war sie nicht bereit. Um keinen Preis der Welt.
Alan wird mir das Geld schon leihen, machte sie sich Mut. Ja, das wird er.
Sie atmete tief durch und sagte, an die Verkäuferin gewandt: „Ich möchte nur das Baby-Doll aus weißer Seide in Größe XS, bitte.“
„Aber gern, sofort.“ Grace sah zu, wie die junge Frau das spitzenbesetzte Dessous vorsichtig in Seidenpapier wickelte und in eine zartlila Schachtel mit dem Leighton-Emblem legte, die sie zusätzlich mit einer weißen Schleife verzierte.
„Höchstens eine von hundert Frauen hätte mein Angebot ausgeschlagen“, ließ sich der russische Prinz hinter ihr vernehmen. „Eine von tausend.“
Grace drehte sich zu ihm um und versuchte zu lächeln. „Sie sind der Rivale meines Chefs. Ich komme mir jetzt schon wie eine Verräterin vor. Ein Geschenk von Ihnen anzunehmen wäre absolut unpassend.“
„Niemand würde davon erfahren.“
„Aber ich wüsste es. Und Sie auch.“
„Ah, ich verstehe.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Eine ehrenwerte Frau.“
Sie schwieg verlegen. Nachdem sie jahrelang das Gefühl gehabt hatte, von niemandem wahrgenommen zu werden, fand sie es äußerst verwirrend, von einem Mann wie ihm so viel Aufmerksamkeit zu erhalten.
Es war, als fiele nach langen dunklen Jahren plötzlich ein Sonnenstrahl auf sie, der sie wärmte und mit seiner Helligkeit blendete.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Verkäuferin ihr lächelnd die Tüte reichte. „Frohe Weihnachten, Madam. Bitte besuchen Sie uns bald wieder.“
„Darf ich?“ Maxim nahm ihr die Tüte ab.
Ein Prinz und Gentleman, dachte Grace erstaunt. Solche Höflichkeit war sie gar nicht gewöhnt. Wenn sie mit Alan einkaufen ging, erwartete er selbstverständlich, dass sie die Tüten trug. Er hatte gern die Hände frei. Frauen lieben es doch, Einkäufe nach Hause zu schleppen, pflegte er scherzhaft
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