Die Geliebte des Rebellen
Rory nutzte seinen momentanen Vorteil, indem er vorwärts preschte und dabei kraftvoll sein Schwert schwang.
Der Anführer der Engländer hatte Rorys List jedoch sogleich durchschaut. “Er ist allein”, rief er seinen Männern zu. “Nehmt gefälligst eure Waffen und verteidigt euch.”
Innerhalb von Sekunden hatten sie ihn eingekreist. Ein Soldat schleuderte seine Lanze und traf damit Rorys Pferd. Tödlich verletzt stürzte es zu Boden. Gerade rechtzeitig gelang es Rory abzuspringen. Sonst wäre er unter dem schweren Pferdeleib begraben worden.
Obwohl er gegen die Engländer keine Chance hatte, kämpfte er unerschrocken. Plötzlich durchfuhr ein scharfer Schmerz seinen Arm, und entsetzt spürte Rory, dass er nicht mehr die Kraft hatte, sein Schwert zu halten. Er war von einem fürchterlichen Hieb an derselben Schulter getroffen worden, die gerade erst verheilt war.
Von ihrem Beobachtungspunkt auf dem Hügel aus musste AnnaClaire mit ansehen, wie Rory zu Boden fiel und der Anführer der Soldaten im Bewusstsein des Sieges gemächlich auf ihn zuging. Rory griff nach der unter dem Taillenband verborgenen Lederscheide, in der ein Messer steckte, und zog es heraus, doch schon wurde es ihm aus der Hand geschlagen.
Boshaft blickte der Soldat auf Rory hinunter, die Schwertspitze auf dessen Kehle gerichtet, um ihm den tödlichen Stoß zu versetzen. Doch in diesem Augenblick wurde er durch lautes Rufen abgelenkt. Irritiert sah er, wie eine Frau mit wehenden Röcken auf ihn zugerannt kam.
“Dem Himmel und allen Heiligen sei Dank!”, rief AnnaClaire und warf sich dem Soldaten in die Arme. Der ließ völlig überrumpelt sein Schwert fallen.
“Lady Thompson?”, stieß er ungläubig hervor. “Seid Ihr es wirklich? Ihr lebt also doch noch!”
“Ja, Ihr habt mich vor diesem Verrückten gerettet.” Sie vermied es, Rory anzuschauen, denn seine stark blutende Schulter versetzte sie in unvorstellbare Angst. Stattdessen streifte sie die Kapuze ab und ging von einem Soldaten zum nächsten. Jeden Einzelnen von ihnen bedachte sie mit einem strahlenden Lächeln.
Die Männer waren so verwirrt, dass sie diese wunderschöne Frau, die ihnen wie eine Lichtgestalt erschien, nur fassungslos anblicken konnten.
“Ich hatte schon geglaubt, hier in der Wildnis sterben zu müssen”, erklärte sie zwischen Lachen und Weinen. “Ich war diesem Ungeheuer völlig ausgeliefert, doch dank Eurer Hilfe bin ich jetzt in Sicherheit.” Rasch sah sie zu Rory, wandte sich aber sogleich hastig wieder ab. Sie hatte das Gefühl, sein Anblick müsse ihr das Herz zerreißen.
“Mein Vater wird jedem Einzelnen von Euch persönlich danken wollen”, erklärte sie den Männern. Zum Anführer meinte sie: “Ich glaube sogar, dass die Königin Euch womöglich mit einer großzügigen Belohnung danken wird, wenn Ihr ihr den Blackhearted O’Neil in Ketten vorführt.”
“Ihn in Ketten vorführen?” wiederholte der Mann unsicher. Ihm war es ganz und gar nicht geheuer, den gefährlichen Feind am Leben zu lassen. Es wäre für ihn viel einfacher gewesen, den Iren zu töten und die Angelegenheit damit aus der Welt zu schaffen.
“Ja, selbstverständlich”, bekräftigte AnnaClaire. “Die Königin wird doch den Mann sehen wollen, der für die Unruhen in Irland verantwortlich ist. Ich bin sicher, dass es viele Ehrungen geben wird für die mutigen Männer, die Rory O’Neil zur Strecke gebracht haben.”
“Fesselt ihn sofort”, befahl der Anführer wichtigtuerisch. AnnaClaires Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Mann hatte gewiss bereits Visionen von der Ehre, die ihm am Hof in London zuteilwerden würde.
Während die Männer sich beeilten, dem Befehl nachzukommen, rieb sich AnnaClaire fröstelnd die Arme. “Hättet Ihr wohl einen Becher Ale für mich?”, bat sie. “Und vielleicht darf ich auch um ein Feuer bitten? Mir ist so entsetzlich kalt.”
“Sehr wohl, Mylady”, beeilte sich der Soldat zu antworten und gab sogleich Anweisungen, AnnaClaires Wünsche zu erfüllen. Als einer der Männer in Windeseile mit einem Becher Ale zurückkehrte, belohnte AnnaClaire ihn dafür mit ihrem betörendsten Lächeln.
Innerhalb kürzester Zeit hatte man ihr in einem Zelt, das aus Tierhäuten gefertigt war, neben einem prasselnden Feuer einen Platz bereitet. Durch den Eingang konnte sie in einiger Entfernung Rory sehen, der, an Händen und Füßen gefesselt, gegen einen Baumstamm gelehnt saß.
Ein Soldat war abkommandiert worden, den Gefangenen zu
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