Die Geliebte des Rebellen
bewachen. Inzwischen hatten sich der Anführer und drei seiner Männer um AnnaClaire geschart. Die übrigen Soldaten hatten sich in ihre Verstecke im Wald zurückgezogen.
“Dieser Barbar ist einfach in mein Haus eingedrungen und nahm mich kurzerhand als Geisel, um seiner Festnahme zu entgehen. Das werde ich ihm niemals verzeihen!” schilderte AnnaClaire ihre Entführung und unterstrich ihre Erzählung mit ausdrucksvollen Gesten.
Die Engländer nickten und murmelten ihre Zustimmung.
AnnaClaire hob ihre Röcke ein wenig an. “Meine neuen Stiefel sind völlig durchgeweicht. Noch ein Grund mehr für mich, O’Neil zu hassen.” Zufrieden bemerkte sie, dass die Soldaten wie gebannt auf ihre Knöchel starrten. Einladend bewegte sie ein wenig die Füße.
“Soll ich Euch sagen, was ich mir gerade überlegt habe?” Und auf das allgemeine Nicken hin fuhr sie fort: “Ich möchte die Stiefel von O’Neil haben. Es wäre doch nur gerecht, wenn er den ganzen Weg nach England ohne Schuhwerk zurücklegen müsste. Findet Ihr nicht auch, dass das eine passende Strafe für den Schurken wäre?”
Kaum dass der Anführer seine Zustimmung gegeben hatte, sprang AnnaClaire auf und eilte zu dem Soldaten, der Rory bewachte. “Habt Ihr gehört? Man sagte mir, ich könne die Stiefel von O’Neil haben.”
Der Angesprochene schien verwirrt. “Seine Stiefel, Mylady?”
“Ja”, bekräftigte AnnaClaire. “Wenn Ihr mir nicht glaubt, fragt doch Euren Anführer.”
Der einfache Mann schaute von seinem Gefangenen, der anscheinend das Bewusstsein verloren hatte, zu AnnaClaire und dann zu seinem Oberbefehlshaber, der ihm zunickte. “Nun gut, wenn es so angeordnet wurde, werde ich mich sofort darum kümmern.”
Er beugte sich zu Rory hinunter und zog ihm erst den rechten, dann den linken Stiefel aus, während AnnaClaire daneben stand und sie in Empfang nahm. Erwartungsgemäß spürte sie das Messer, das er in dem einen Schaft versteckt gehalten hatte, und verbarg es jetzt in den Falten ihres Kleides. Sie richtete sich auf, und im Umdrehen ließ sie die Waffe unbemerkt in Rorys Schoß fallen. Dann ging sie mit schnellen Schritten zu dem Zelt zurück.
Die Soldaten, müde und ein wenig benommen von dem reichlich genossenen Ale, sahen schweigend zu, wie AnnaClaire ihre zierlichen Stiefelchen aus Kalbsleder abstreifte. “Ach, es wird wunderbar sein, endlich wieder in einem weichen, sauberen Bett schlafen zu können”, meinte sie seufzend und bedachte die Männer mit einem bezaubernden Lächeln.
Einer von ihnen wollte wohl etwas erwidern. Doch da wurde durch die Zeltwand ein Schwert gestoßen und traf den Soldaten in den Rücken. Er bäumte sich auf und sackte dann tot zusammen.
Bevor die anderen Männer reagieren konnten, stand Rory im Zelt. Sie hatten keine Gelegenheit mehr, nach ihren Waffen zu greifen. In Sekundenschnelle war alles vorbei.
Benommen blickte AnnaClaire auf die grauenvolle Szene. Bis vor Kurzem hatte sie Rory für einen Barbaren gehalten, weil er an Geschehnissen wie diesem beteiligt war. Doch nun musste sie sich eingestehen, dass sie an diesem Abend an dem Tod von ihr treu ergebenen englischen Soldaten eine Mitschuld trug. Der Gedanke verursachte ihr Übelkeit, und sie schwankte.
Rory war da, hielt sie fest an sich gepresst. “Ist alles in Ordnung, Liebste?”
“Ja …” Sie atmete schwer. “Es geht schon.”
Prüfend sah er sie an. “Du würdest gut in unsere Gemeinschaft der Gesetzlosen passen, AnnaClaire.”
“Das glaube ich kaum”, widersprach sie schwach. “Ich hatte so schreckliche Angst.”
“Das ist eine ganz natürliche Empfindung. Aber was wirklich zählt, ist ja, dass du deine Angst überwunden hast.” Er berührte sacht ihre Wange. “Du hättest dich ja auch im Wald verborgen halten können, und niemand hätte dir deswegen Vorwürfe gemacht. Du bist immerhin eine Frau von hohem Stand.” Er küsste sie. “Das war heute das zweite Mal, dass du mir das Leben gerettet hast. Ich stehe bei dir in großer Schuld.”
Sie berührte sein Gesicht. “Glaub mir, ich werde sie einfordern, Rory O’Neil.”
“Ich werde sie gern begleichen.” Nachdem sich Rory davon überzeugt hatte, dass die Soldaten tot waren, führte er AnnaClaire nach draußen zu den Pferden. Er wählte das kräftigste von ihnen für sich selbst aus und band die anderen dann hintereinander fest.
“Zieh deinen Mantel und deine Schuhe an, Liebste”, sagte er zu AnnaClaire. “Wir müssen weit fort sein, bevor die anderen
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