Die Geliebte des Rebellen
an Rory. “Komm her, mein Sohn. Es wird Zeit, dass ich dir eine Lektion in strategischen Manövern erteile.”
“Vielleicht ist es gerade umgekehrt, Vater.” Amüsiert nahm Rory ihm gegenüber Platz. Die anderen kamen näher und bildeten einen Kreis um die beiden Spieler.
“Ich glaube, du bist mit dem ersten Zug dran”, meinte Rory zu Gavin.
Der nickte und schaute dann AnnaClaire an. Offenbar dachte er über ihren Rat nach, entschied sich dann aber doch für einen anderen Zug.
Verwundert sah Rory seinen Vater an. “Bist du sicher, dass dieser Zug richtig für dich ist?”
“Allerdings.”
Rory bewegte einen seiner Türme. “Du hättest auf unseren Gast hören sollen, Vater. Ich habe dich soeben schachmatt gesetzt.”
Eine Ader an Gavins Schläfe trat plötzlich deutlich sichtbar hervor, und AnnaClaire glaubte schon, der alte Mann würde erneut die Beherrschung verlieren. “Das habt Ihr mit Absicht getan, Engländerin, nicht wahr?”
“Was?” Sie fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden, als sie jetzt die Blicke aller Anwesenden auf sich fühlte.
“Rat angeboten in dem Wissen, dass ich ihn verwerfen würde, weil er von jemandem wie Euch kam.”
Wieder zuckte AnnaClaire die Schultern. “Nichts lag mir ferner, Gavin O’Neil. Aber wenn Ihr so etwas von mir glauben wollt, habe ich sowieso keine Möglichkeit, Euch umzustimmen.”
“Vielleicht doch, AnnaClaire Thompson”, versetzte Gavin. “Glaubt Ihr, Ihr könntet mich schlagen?”
“Ich spiele schon, seit ich ein kleines Kind war, mit meinem Vater Schach. Meistens gewinne ich.”
“Pah! Er ist ja auch nur ein dummer Engländer. Ich fordere Euch zu einer Schachpartie gegen einen gerissenen Iren heraus.”
AnnaClaire schaute in die Runde. Die anderen sahen so überrascht aus, wie sie sich fühlte.
“Aber Vater”, warf Briana ein. “Du hast es doch stets abgelehnt, mir die Regeln des Schachspiels beizubringen, weil angeblich nur Männer die komplizierten strategischen Überlegungen nachvollziehen können.”
“Ja, Schach ist ein Kriegsspiel. Es geht dabei sowohl um Intelligenz als auch List. Der weibliche Geist kann diese Dinge einfach nicht so verarbeiten wie der männliche. Also, Mylady, habt Ihr Angst, ich könnte Euch vernichtend schlagen?”
Wie er vermutet hatte, konnte und wollte AnnaClaire dieser Auseinandersetzung nicht aus dem Wege gehen. “Ich nehme die Herausforderung an”, erklärte sie fest.
“Dann wollen wir sofort beginnen.”
Moira legte ihrem Mann eine Hand auf die Schulter. “Gavin, meinst du nicht, dass die junge Lady völlig erschöpft sein muss? Bedenke doch, was für eine anstrengende Reise sie in den vergangenen Tagen zu bewältigen hatte.”
“Sie kann so lange schlafen, wie sie will. Aber erst, wenn das Spiel vorüber ist.”
Bevor Moira noch weitere Einwände erheben konnte, legte Conor seiner Mutter einen Arm um die Schultern und führte sie von dem Spieltisch fort. “Komm, Mutter. Du weißt doch, dass Vater einen unbeugsamen Willen hat. Wir gönnen uns noch ein Ale und hören uns Rorys Abenteuergeschichten an.”
Während der nächsten halben Stunde bemühte sich Rory, seine Familie mit spannenden Erzählungen zu unterhalten, doch er war ganz und gar nicht bei der Sache. Immer wieder warf er verstohlene Blicke auf AnnaClaire und seinen Vater, die die Köpfe über das Brett gebeugt hatten.
Hatte sie überhaupt eine Ahnung davon, worauf sie sich da eingelassen hatte? Für seinen Vater handelte es sich bei diesem Schachspiel keineswegs nur um ein Spiel. Für Gavin war es ein Krieg, den er mit Leidenschaft führte. Wenn er ihn gewonnen hatte, würde AnnaClaire zweifelsohne in Tränen aufgelöst sein.
“Ich habe Euch in eine Ecke gedrängt, Engländerin.” Gavin O’Neil lächelte triumphierend. Er und AnnaClaire hatten die Partie langsam und vorsichtig begonnen, um erst einmal die Strategie des Gegners herauszufinden.
Er war äußerst überrascht gewesen, wie schnell AnnaClaire seine Züge durchschaut und vorausgesehen hatte. Sehr geschickt hatte sie jeden seiner Vorstöße abgeblockt. Aber nun stand sie kurz vor der Niederlage.
“Ja, das habt Ihr allerdings.” AnnaClaire überdachte konzentriert die Möglichkeiten, die ihr noch offen standen. Dann schenkte sie ihm ein bezauberndes Lächeln. “Deshalb muss ich Euch jetzt ganz schnell sagen: Ihr seid schachmatt, Gavin O’Neil.”
“Aber das ist unmöglich. Ich habe jeden Zug genauestens durchdacht. Bei allen guten Geistern …” Seine Stimme
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