Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
fragte die Marquise von Saint-Remi an, ob die Tochter noch keinerlei Aussicht für das Avancement François' und eine vorteilhaftere Stellung für die Eltern habe?
Louise lächelte trübe. Wo und wie sollte sie Gelegenheit haben, für andere zu sprechen, sie, die selbst Not hatte, sich in den Verhältnissen zurechtzufinden? Hätte sie das draufgängerische Temperament ihrer Mutter besessen, die niemals weder körperliche noch seelische Gefahren gescheut, die beherzt mit ihrem Gatten auf dem Rücken eines Pferdes in den Kämpfen der Fronde mitgeritten war, die einen dritten Ehebund skrupellos eingegangen war — vielleicht hätte sie die Hoffnungen der Ihrigen erfüllen können.
Mutlos ließ sie den Brief sinken. Rosalie riss das Fräulein aus seinem Brüten und erzählte ihre große Neuigkeit. Sie hatte den Triumph, Louises blasse Wangen sich röten, ihre Augen vor Freude leuchten zu sehen. Fontainebleau war das große Zauberwort gewesen!
Gegen Ende Mai waren die Vorbereitungen zu Bensera-des „Les Saisons” beendet. An einem wundervollen sternenhellen Abend fand die erste Vorstellung statt.
Die offene Bühne war am Ufer eines großen Teiches errichtet worden. Benserade, Saint-Aignan und Le Nôtre hatten alle Zauber der Natur und Kunst spielen lassen. Die wundervollen Baumgruppen und dunklen Ta-xushecken im Hintergrund des Theaters, die blühenden Hecken um das von Tausenden von Lichtern erhellte Wasser gaben ein entzückendes Bild.
Louise konnte den Blick nicht wenden und hörte kaum auf die verliebten Worte, die Guiche ihr zuflüsterte, während sie beide hinter dichten Buchenhecken auf ihren Auftritt warteten. Plötzlich ging ein Murmeln des Entzückens, dann lauter Beifall durch die Menge der auf reich geschmückten Tribünen und Podien versammelten Gäste.
Louise stockte das Herz. Der König, der den „Frühling” darstellte, war aufgetreten.
Nicht nur „die kleine La Vallière” fand den Beherrscher Frankreichs in seinem fantastischen Kostüm von hinreißender Schönheit. Alle Welt war von Louis' Anblick bezaubert. Niemand konnte sich an dem Tanz satt sehen, den er mit Madame ausführte. Seine leuchtenden Augen, sein schönes Gesicht, sein elastischer Körper, alles war edler Schwung, beredte Poesie.
Louise stand mit weit geöffneten, brennenden Augen und konnte den Blick nicht von ihm wenden. Wie bezaubernd sie selbst in ihrem duftigen Nymphengewand, in dieser hingebenden Haltung war, ahnte sie nicht. Andere bemerkten es umso besser. Guiches Leidenschaft für das reizende, unschuldige junge Geschöpf brannte lichterloh, und Benserade, der als Regisseur neben den Akteuren zur Seite der Szene stand, ließ seine Blicke mit unverhohlenem Entzücken auf der jungen Nymphe mit dem Waldblumenkranz im blonden Lockenhaar haften.
Fräulein de Pons und Fräulein von Chimerault waren schon aufgetreten, als der König noch auf der Szene war. Jetzt war die Reihe an Louise. Aber sie hätte sicherlich ihren oft geübten Auftritt vergessen, wenn Benserade sie nicht sanft beim Arm genommen und auf die Bühne geschoben hätte.
„Mut, Mut, kleine La Vallière. Sie sind so reizend, es kann nicht fehlen”, flüsterte er ihr zu.
Louise stand einen Augenblick in tödlicher Verlegenheit auf der Szene. Das Gefühl, vor dem König sprechen und tanzen zu sollen, schnürte ihr die Brust zusammen. Dann hob sie die gesenkten Lider. Ihre wundervollen blauen Augen blickten in zaghafter Scheu, ohne mehr als eine bunte, wogende Menge im Strahl ungezählter Lichter und Fackeln zu sehen, und mit ihrer weichen bestrickenden Stimme, der niemand widerstand, sprach sie ihre ersten Verse, die Benserade, prophetischen Gemüts, für sie geschrieben hatte:
„ Cette beauté depuis peu née,
Ce teint et ces vives couleurs,
C'est le printemps avec ses fleurs
Qui promet une belle année.”
Eine Bewegung ging durch die Menge. Man fragte sich, wer dieses anmutige Mädchen mit der schlanken aristokratischen Gestalt, den träumerischen blauen Augen, der bestrickenden Stimme sei. Die wenigsten kannten sie, und diejenigen, die erfuhren, dass sie es öfters schon bei Madame gesehen haben mussten, wunderten sich, dass ihnen die Anmut dieses Fräulein von La Vallière nie vordem aufgefallen war.
Auch die junge Königin, die mit Anne d'Autriche auf der ersten Tribüne saß, war von dem Zauber der jungen Provinzialin vollständig eingenommen. Sie hatte das Fräulein von La Vallière niemals aus der Nähe, nur einmal flüchtig bei der
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