Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
gegen Fräulein de Pons — was man von dem König Ihrem Fräulein gegenüber nicht sagen kann.”
Rosalie warf im Ärger das Nymphenkostüm zu Boden. Da sie aber klug genug war, um zu wissen, dass ihre Zunge der der impertinenten Pariserin doch nicht gewachsen war, zuckte sie nur mit den Achseln und sagte:
„Was Sie von meinem Fräulein wissen!”
„Mehr, als ich Ihnen auf die Nase binden werde! Im Übrigen — es gibt noch eine andere Neuigkeit”, fügte Clémence geheimnisvoll hinzu.
„Was denn?”, fragte Rosalie neugierig, die „Freundin” vertraulich in die Seite stoßend.
„Die schnelle Abreise erfolgt auf Madames besonderen Wunsch”, flüsterte Clémence wichtig. „Der König tut ja alles, was sie will. Der Kammerdiener der Herzogin hat mir erzählt, dass die Navailles nicht eben erbaut von dieser Intimität sein soll — die gute Königin ahnt nichts von der ganzen Geschichte. Sie wissen doch, Rosalie, dass die Königin guter Hoffnung ist? Sie soll im November niederkommen.”
Die Mädchen kicherten — Rosalie war ein wenig rot geworden.
„Und Monsieur? Ist er einverstanden mit der vorzeitigen Abreise?”
„Der König soll ihn mit irgendeinem Befehl noch auf vierzehn Tage im Palais Royal zurückhalten wollen — ”
„Hah, hah, der König hat's raus!”, machten die Mädchen und wollten sich vor Lachen ausschütten.
Irgendwo schlug eine Uhr. Rosalie erschrak.
„Sie müssen fort, Clémence. Der Dienst ist zu Ende. Das Fräulein wird gleich hier sein. Sie wissen, sie sieht nicht gern Fremde hier oben, und von unserem Klatsch darf sie erst recht nichts erfahren.”
„Sie ist sehr dagegen, ja”, gab Clémence etwas schnippisch zurück, „und aus diesem Grund sehr langweilig, meint mein Fräulein.”
Mit einem mokanten Knicks verschwand das elegante kleine Persönchen.
Es war höchste Zeit gewesen. Kaum fünf Minuten später kam Louise vom Dienst von Madame zurück. Sie ließ sich ermüdet auf das kleine Sofa sinken. Der Dienst war heute sehr anstrengend gewesen. Ganz früh war sie geweckt worden, weil Madame nicht hatte schlafen können. Fast zwei Stunden hatte sie am Bett Madames gesessen und vorgelesen, bis die Prinzessin wieder Schlaf gefunden hatte. Zuerst Corneille, und als er Madame gelangweilt hatte, aus „Le Grand Cyrus” der Scudéry.
Rosalie hatte beim Eintritt des Fräuleins das Kostüm beiseite gelegt und rasch die Schokolade herbeigeholt, die schon bereitstand. Zugleich brachte sie einen Brief und ein Bukett schön gebundener Rosen, die sie wohlweislich vor Clémences neugierigen Augen versteckt gehalten hatte.
„Von der Frau Mama”, sagte sie, den Brief übergebend.
„Und die Blumen?”
„Von dem Herrn Grafen von Guiche”, Rosalie lächelte verschmitzt.
Der Ausdruck einer peinlichen Empfindung flog über Louises Gesicht. Sie hatte den Grafen recht gern. Er war amüsant und liebenswürdig und der Erste, der sie am Hofe ausgezeichnet hatte. Dennoch konnte sie in nichts seine Gefühle für sie erwidern.
Zudem wusste sie, Madame sah es nicht gern, wenn der Graf sich ihr widmete. Ein Gefühl, das Louise nicht begriff. Die Prinzessin war eine jung verheiratete Frau — überdies von dem König sehr eingenommen —, wie konnte sie Interesse für die Neigungen des jungen Guiche haben!
Trotzdem schien es so, und Louise war nicht gewillt, um des Grafen halber das beinahe freundschaftliche Gefühl, das die Prinzessin seit einiger Zeit für sie zu hegen schien, aufs Spiel zu setzen. Sie fuhr mit der Hand nachdenklich über die Stirn und das weiche blonde Haar.
Seltsam verworren und unbegreiflich schien ihr zuweilen dies ganze Treiben am Hofe Madames. Wie konnte man mehreren Männern zugleich sein Herz schenken? Wie konnte man einen Mann lieben und mit den anderen kokettieren? Wie konnte man, wenn man das Bild eines Mannes im Herzen trug, für andere noch einen Blick haben?
Louise fühlte nur allzu tief, sie würde es niemals können. Niemals würde die stille heiße Liebe, die ihre Seele erschauern machte, auch nur durch den Schatten einer anderen Neigung getrübt werden.
Niemals!
Sie presste die Hand auf das klopfende Herz, als wollte sie es zurückhalten, sein süßes trauriges Geheimnis zu verraten. Besorgt eilte Rosalie herbei.
„Fehlt dem Fräulein etwas?”
Louise schüttelte, Rosalie mit herzlichem Ausdruck dankend, den Kopf. Dann nahm sie den Brief der Mutter zur Hand, der sie auch nicht froher machte. In ihrer halb feierlichen, halb herrischen Art
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