Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Vorstellung in St. Germain gesehen. Heute nahm sie sich vor, dem Fräulein nach dem Theater ein paar liebenswürdige Worte zu sagen.
Skeptisch meinte Anne d'Autriche: „Warten Sie lieber, meine liebe Marie Thérèse, bis das Fräulein sich bewährt haben wird! An den Hof Frankreichs ist schon manches junge Geschöpf voll Reinheit und Anmut gekommen. Allzu schnell hat es gelernt, mitzutun in der hohlen Komödie des Scheins, der Gefallsucht und Intrige, die letzthin als Parole ausgegeben scheint.”
Dann, als Anne d'Autriche bemerkte, dass das ernste Gesicht ihrer Schwiegertochter noch um einen Schatten ernster und bleicher geworden war, ärgerte sie sich über ihr rasches Wort. Zärtlich tröstete sie:
„Es gibt auch Ausnahmen, mein liebes Herz!”
Marie Thérèse schwieg, wie sie zu tun pflegte, wenn etwas sie stark bewegte. Ihre Augen suchten ihren Gatten, den sie den ganzen Abend über noch nicht bei nahem gesehen und nach dem ihre Sehnsucht verlangte.
Anne d'Autriche folgte dem Blick der jungen Frau. Sie wusste, was er bedeutete. Ihr scharfes Auge hatte den Sohn, der im Augenblick nicht auf der Bühne beschäftigt war, längst an der Seite Henriettes entdeckt. Aber die kluge Frau hütete sich, Marie Thérèse darauf aufmerksam zu machen: Sie, die nur noch die eine Lebensaufgabe vor sich sah, das Glück ihrer Kinder zu behüten, hätte um nichts in der Welt das stolze und arglose Herz ihrer Schwiegertochter beunruhigen mögen.
Louis hatte nichts von Fräulein von La Vallières Erfolg auf der Bühne gesehen. Laporte musste für den Schlussakt des Balletts ein paar kleine Änderungen an seinem Kostüm vornehmen, und Madame hatte es sich nicht nehmen lassen, dem Alten dabei zur Hand zu gehen.
Was hatte sie zu fürchten? Philippe saß wohlverwahrt im Palais Royal und die große Mademoiselle im Luxembourg. Frau von Navailles aber hatte sich wirklich täuschen lassen: Sie hielt ihr Argusauge fest auf Fräulein de Pons gerichtet.
Während Madames weiche, weiße Hände an Louis' Hals und Armen nestelten und bemüht waren, den bunten Schleifen, Blumen und Bändern einen immer neuen graziösen Schwung zu geben und das weiße Gewand in immer neuem Faltenwurf von den nackten Schultern fallen zu lassen, hörte der König von ferne Louise von La Vallières sanfte Stimme, die ihn schon an jenem Spielabend bei Madame gefangen genommen hatte.
Er begriff sich selbst nicht! Weshalb hatte er durch so viele Monate für das anmutige Geschöpf keinen Blick wieder gehabt, während andere Männer wie Guiche und Benserade sie umschwärmten?!
Madames zarte Hände, die gerade zärtlich über seinen Nacken strichen, hielten eben fester, als er es ihnen zugetraut hatte.
Als der König heute Nacht über den ovalen Schlosshof ging, um seine im linken Flügel gelegenen Gemächer zu erreichen, ertappte er sich zum ersten Mal dabei, im Pavillon des Princes, der auf derselben Seite des Hofes lag, nach den Fenstern zu spähen, hinter denen die Damen Madames schliefen.
Die Nächte dieser Mai- und Junitage in Fontainebleau waren so heiß, dass die Hofgesellschaft davor scheute, die Zimmer aufzusuchen und sich zur Ruhe zu begeben, ehe die erste Morgenkühle einsetzte.
Die lebhafte Henriette war erfinderisch genug, immer neue Zerstreuungen zu ersinnen, welche die heißen Nächte kürzten. Dabei wusste sie es so einzurichten, dass ihr selbst bei diesen Veranstaltungen stets noch ein ganz besonders glückliches Los zufiel.
Nach dem Tanz, den sie ausnahmslos mit dem nicht zu ermüdenden König ausführte, und den Gastlichkeiten auf den großen Rasenflächen Fontainebleaus hatte Madame als Neuestes nächtliche Fahrten mit Fackelbeleuchtung durch Park und Wald eingeführt, die sich bis in den frühen Morgen ausdehnten.
Lully war beauftragt worden, außer dem eigenen Orchester eine Anzahl erster Geiger aus Paris kommen zu lassen. Hinter dem Boskett versteckt sangen ihre Violinen mit den Nachtigallen um die Wette.
Es war eine besonders heiße Nacht, Madame fuhr wie immer mit dem König. Am Himmel hatten sich schwarze Wolken getürmt. In langen Zwischenräumen zuckte bläuliches Wetterleuchten darüber hin. Es schien, als sollte das Gewitter, das schon seit acht Tagen drohte, sich endlich zusammenziehen und die erwünschte Kühlung bringen.
Die schöne Henriette hatte sich, tief in den Fond des Wagens zurückgelehnt, zärtlich an den König geschmiegt und ihre Hand heimlich in die seine gestohlen. Louis saß regungslos, als fühle er nichts von
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