Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
hatte nach der Messe ein paar Stunden freie Zeit. Während der heiligen Handlung hatte sie sich nicht getraut, die Augen aufzuschlagen, in der Furcht, einem Blick zu begegnen, der ihr spöttelnd gesagt: Ich weiß um dein Geheimnis, törichtes Mädchen.
Jetzt saß sie bei geschlossenen Fenstern und verschlossener Tür in ihrem kleinen Zimmer, fassungslos über sich selbst und ihr unbedachtes Geständnis. Wieder und wieder fragte sie sich, wer die im Halbdunkel davonhuschenden Gestalten gewesen sein mochten, die Zeugen ihrer grenzenlosen Unüberlegtheit geworden waren.
Zuerst hatte sie sich damit zu beruhigen versucht, dass ein paar der Diener, gleich ihr und den jungen Damen, Erfrischung im Park gesucht haben mochten. Aber diese Hoffnung auf Beruhigung hatte nicht lange vorgehalten. Zu deutlich hatte sie zwei Degenknäufe durch das Blättergeriesel blinken sehen.
Die übermütigen Gefährtinnen um ihre Meinung zu fragen getraute Louise sich nicht. Weit war sie den Mädchen aus dem Wege gegangen, um ihre spöttisch lachenden Augen nicht zu sehen, ihre Neckereien nicht hören zu müssen. Vor aller Welt hätte sie sich in den fernsten Winkel verstecken mögen.
Rosalie war ganz unglücklich über diesen neuen Schwermutsanfall ihrer Herrin. Die kleine Gilbert hatte diese Krisen seit Fontainebleau ein für alle Mal erledigt geglaubt. Heiß und aufgeregt war sie von einer neuen Ballettprobe nach Haus gekommen und wusste die drolligsten Dinge zu erzählen: Von dem König und dem Herzog von Saint-Aignan, die fortdauernd so tief im Gespräch gewesen waren, dass sie unausgesetzt ihren Auftritt versäumt hatten, sodass Herr von Benserade beinahe bös mit dem König geworden wäre. Im Übrigen hätte der König ein wenig blass, aber himmlisch schön ausgesehen.
Außerdem hätte es eine sehr komische Szene gegeben: Bei einem raschen Auftritt hätten sich zwei der Herren mit ihren Degenknäufen so fest ineinander verwickelt, dass sie gar nicht wieder voneinander losgekommen wären und mit einem großen Gartenmesser hätten auseinander geschnitten werden müssen. Den Kavalieren, die ihnen beigesprungen waren, hatten sich vor Eifer die Perücken verschoben. Alle Welt — außer Madame, die noch immer schlechter Laune war, hätte sich totlachen wollen. Selbst der Graf von Guiche, der anfangs nicht allzu munter gewesen und Madame nicht hatte von der Seite weichen dürfen, hatte sich vor Lachen nicht halten können.
Louise wehrte dem lebhaften Redefluss.
„Geh nach unten speisen, Rosalie. Ich habe keinen Dienst und mag nicht essen.”
Rosalie redete gut zu. Alles vergebens. Endlich tröstete sich die Kleine damit, dass es die drückende Gewitterluft sein möge, die dem Fräulein den Appetit verschlagen habe.
„Wenn das Wetter erst herunter ist, wird der Appetit schon wieder kommen, Fräulein Louise. Und heute gibt es sicher etwas. Monsieur Chamottes, Madames neuem Kammerdiener, tun die Hühneraugen weh. Das ist ein sicheres Zeichen, pflegte mein Vater zu sagen.”
Damit sprang Rosalie leichtfüßig aus dem Zimmer; ihrem gesunden Tourainer Appetit hatte die schwüle Luft nichts anhaben können.
Rosalie und die Hühneraugen des Herrn Chamottes schienen Recht behalten zu wollen. Das lang ersehnte Gewitter stand um Mittag so drohend am Himmel, als ob es jeden Augenblick herunterprasseln wollte.
Trotzdem hatte der König die Jagd nicht absagen lassen. Die Damen, die die Hatz nicht mitritten, sollten sich am späten Nachmittag auf der großen Waldwiese zum Stelldichein einfinden. Jagdanzug war auch für sie angesagt worden. Der König liebte ein einheitliches Bild.
Madame gewährte, wie es den Anschein hatte, Fräulein von La Vallière nicht ungern den erbetenen Dispens von der Jagd. So fuhr Louise, da die anderen Damen in der Eskorte der Prinzessin mitgeritten waren, allein am späten Nachmittag auf die Waldwiese hinaus.
Der ganze Himmel war schwarz bezogen. Durch die Gipfel der mächtigen alten Eichen brauste der erste Sturm. Louise Françoise fror in ihrem leichten, lichtgrauen Jagdkleid. Der schwarze Dreispitz mit der großen, grauen Feder saß nur mit Mühe auf ihrem reichen, blonden Haar fast. Die seidenweichen natürlichen Locken, die dem Mädchen zu beiden Seiten tief auf den Hals herabfielen, wurden von dem immer mehr zunehmenden Winde zerzaust.
Wenige Augenblicke nach ihrer Ankunft machte die Jagdgesellschaft am Wiesenrand Halt. Der König, wie immer der Erste aus dem Sattel, begrüßte seine Gäste und lud zu einem
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