Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
der Jasminlaube von Fontainebleau noch immer wie ein spitziger Stachel im Herzen saß, stimmte lebhaft zu. Da er der Einzige war, der der spanischen Sprache einigermaßen mächtig war, erbot er sich, den Brief, sobald er aufgesetzt worden, ins Spanische zu übertragen.
„Und Sie, meine liebe Olympia, werden für einen Umschlag aus dem Kabinett König Philipps sorgen. Da Sie so häufig bei Marie Thérèse sind und die Königin fast täglich Nachrichten von ihrem Vater empfängt, wird es Ihnen nicht schwer fallen, sich eines überschriebenen Umschlags zu bemächtigen.”
Olympia erhob sich triumphierend. Die Rache ihres heißen Herzens, das weder den König noch den Thron Frankreichs vergessen konnte, war rascher als die der anderen gewesen.
Frau von Soissons zog einen kleinen Schlüssel hervor, den sie an einer goldenen Schnur auf der Brust trug. Es war der Schlüssel zu dem Geheimfach, in dem sie des Königs Liebesbriefe bewahrte. Obenauf lag ein etwas zerknüllter Umschlag aus starkem gelblich-braunem Papier. Die Aufschrift lautete, ziemlich kurz gefasst: „An Ihre Majestät Marie Thérèse, Königin von Frankreich” und war von der Hand des Geheimsekretärs König Philipps IV. geschrieben.
Madame fiel ihrer Freundin ungestüm um den Hals. „Wahrhaftig, Olympia, Sie sind die klügste von uns allen.”
„Wir hatten tags nach der Armbandgeschichte Ähnliches besprochen, Euer Hoheit, und — die Gelegenheit war günstig —” wehrte die Soissons mit gemachter Bescheidenheit ab.
Vardes, der trotz seiner nahen Beziehungen zu Olympia Mancini vielleicht der Einzige war, der sich ehrlich eingestand, dass das geplante Komplott weniger der Sympathie und dem Mitleid mit der armen Königin galt als einem Akt der Rache und des Neides an Fräulein von La Vallière und dem König, schlug eine gemäßigte Fassung vor. Die anderen widersprachen.
„Und wer soll Ihrer Majestät den Brief in die Hände spielen?”, fragte Guiche.
Vardes nannte die Herzogin von Navailles. Dieser eisengepanzerten Moralistin am Hofe Frankreichs, dieser getreuesten Freundin der jungen, arglosen Königin würde mit dem Inhalt des Briefes zweifellos ein großer Gefallen geschehen.
Aber Madame ereiferte sich gegen diesen Plan.
„Niemals. Die Navailles überbringt der Königin täglich die spanischen Korrespondenzen. Sie ist viel zu klug, nicht jede kleinste Ungenauigkeit sofort zu entdecken. Da sie der Königin auf Tod und Leben ergeben ist, würde sie sich eher zerreißen lassen, als sich zur Vermittlerin einer Botschaft herzugeben, deren Herkunft nicht sonnenklar ist.”
Guiche brachte allerhand romantische Ideen in Vorschlag. Frau von Soissons möge Ihrer Majestät den Brief unter das Kopfkissen legen, Vardes ihn in einem Kamelienstrauß überreichen.
Die Damen protestierten heftig. Niemand von ihnen dürfe sich der Möglichkeit einer persönlichen Entdeckung aussetzen, sollte der verhängnisvolle Pfeil nicht sein Ziel verfehlen und auf die Brust des Schützen zurückprallen.
Endlich einigte man sich auf Dona Moliña, die spanische Kammerfrau der Königin.
„Sie ist nicht eben die Gewandteste, aber Ihrer Majestät so treu ergeben, von so gläubiger Andacht für Marie Thérèse erfüllt, dass es ihr niemals einfallen würde, Ihre Majestät könne Feinde haben und sie selbst dazu ausersehen sein, der geliebten Monarchin das Gift der Feinde in die Hände zu spielen.”
Madame erschrak und verbesserte sich mit ihrem liebenswürdigsten Lächeln.
„Was rede ich da von Feinden? Sind wir nicht die aufrichtigsten Freunde Ihrer Majestät — wollen wir nicht nur ihr Bestes?”
Der Brief wurde aufgesetzt und von Guiche nicht eben fehlerlos ins Spanische übertragen. Madame übernahm es, durch eine dritte Person das Schreiben bei erster schicklicher Gelegenheit in die Hände Dona Moliñas gelangen zu lassen.
Bevor eine Woche ins Land gegangen, würde Marie Thérèse wissen, dass und mit wem der König sie betrog. Dann hatte „die kleine La Vallière” ausgespielt und mochte in das armselige Schloss ihrer Väter zurückkehren. Vorbei für immer Glanz von Versailles, Zauber von Fontainebleau, holde Träume von Saint Germain!
Der König saß an seinem Arbeitstisch. Minister Colbert, der neue Oberfinanzverwalter, der inzwischen an Fou-quets Stelle getreten war, hatte sich gerade verabschiedet, als der König ihn wieder zurückrief.
„Um noch einmal auf die Tuilerien zurückzukommen, mein lieber Colbert: Ratabon soll die Arbeiten nach
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