Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
war.
Eine große aufrichtige Bewegung ging durch die Herzen aller Versammelten. Was gewesen war, lag hinter ihnen. Was bedeuteten alle kleinlichen Intrigen und Ränke, alle Auswüchse der Eitelkeit und des Ehrgeizes vor dem Angesicht des Todes?
Der König nahm zuerst Abschied von der Sterbenden. Großherzig wie er war, schämte er sich in dieser Stunde der Neigung nicht, die er einstmals für seine Schwägerin empfunden hatte. Dann gab er Befehl, nach Bossuet zu schicken, der der Sterbenden das Abendmahl reichen sollte.
Henriette umarmte den König zärtlich, und als sie Tränen in seinen Augen sah, bat sie ihn, nicht zu weinen, sie nicht mit seinem Kummer zu betrüben. Das waren ihre letzten Worte an ihn.
Auch die Königin küsste sie. In ihrem unbeirrbaren Gerechtigkeitssinn hatte Marie Thérèse Henriette nach dem Wandel ihres Lebens wieder volle Freundschaft zugewandt.
Die Grande Mademoiselle, wie in allen Dingen auch an diesem Totenbett nur für sich selbst bedacht, blieb am Fußende des Lagers stehen, ohne sich der Prinzessin zu nähern. Sie, die keine Kranken, geschweige denn Sterbende sehen konnte, hielt sich unter dem Vorwand fern, dass ihre heftigen Tränen die Prinzessin irritieren könnten, und dachte dabei doch nur an die möglichen Konsequenzen, die dieser Tod zum Vorteil ihres eigenen Schicksals haben könne.
Von den Frauen, die beide einst Ehrendamen Henriette von Englands gewesen waren, bewahrte die Marquise von Montespan eine Haltung, hinter der man alles oder nichts an Empfindungen vermuten konnte. Louise von La Vallière gab sich ihrem tiefen Schmerz hin. Das plötzliche Ende dieser jungen schönen Frau, die im gleichen Alter mit ihr stand, deren Schicksal durch so lange Jahre mit dem ihren eng verknüpft gewesen war, riss an ihrer Seele. Wie durch einen dunklen Flor sah sie an diesem Sterbelager ihres eigenen Lebens Flamme ausgelöscht.
Ausgesöhnt mit der Erde und dem Himmel, entschlief Henriette von England um zwei Uhr in der Frühe des 30. Juni, nach kaum zwölfstündigem, qualvollem Leiden, dem Bossuets milde Worte den letzten Trost gebracht hatten.
Nach dem Tod Madames nahm das Gerücht, dass die Prinzessin vergiftet worden sei, immer deutlichere Gestalt an. Der ganze Hof, die ganze Stadt sprach davon. Der König wollte die Wahrheit um jeden Preis, schon aus politischen Gründen. Er war Karl II. Klarheit über den plötzlichen Tod seiner Schwester schuldig, sollten die guten Beziehungen Frankreichs und Englands nicht aufs Neue erschüttert werden.
Der König sagte sich selbst, dass eine so auffällig kurze und schmerzhafte Krankheit durchaus dazu angetan sei, Erstaunen — ja Misstrauen zu erwecken. Im Einverständnis mit seinem Bruder ordnete der König die Sezierung der Leiche an. Er beorderte seinen Leibarzt Vallot, derselben beizuwohnen. Der englische Gesandte Lord Montagu, dessen Misstrauen vorauszusehen war, erhielt die Einladung, mit von ihm gewählten englischen Ärzten und Chirurgen der Sezierung beizuwohnen.
Die Prüfung auf die Möglichkeit einer Vergiftung wurde mit größter Sorgfalt vollzogen. Die Diagnose lautete auf natürlichen Tod an „cholera morbus”, mithin auf das Fehlen jeder Spur eines Giftes. Trotz allem schien es, dass Lord Montagu nicht völlig überzeugt war.
Dem König ließ dieser Verdacht keine Ruhe. Er befahl insgeheim den Haushofmeister Madames von Saint-Cloud nach Versailles und verhörte ihn unter vier Augen während der Einsamkeit der Nacht. Er sicherte dem Mann völligste Straflosigkeit zu, wenn er ihm aufrichtig die Wahrheit sagte. Auch der Haushofmeister wusste nichts von einem Gift. Erleichtert entließ ihn der König.
Wie weit Lord Montagu seinen königlichen Herrn beeinflusst haben mochte, war nicht festzustellen. In jedem Fall erlitten die Beziehungen der beiden Monarchen keine Einbuße.
Feierlich wurden die gegenseitigen Kondolationen ausgetauscht. Der Marschall von Bellefonds überbrachte die Beileidsbezeugungen Louis' XIV. nach London, Karl II. sandte seine Kondolation durch den Herzog von Buckingham nach Versailles. Mit großen Ehren wurde Buckingham inmitten einer Reihe von Festen empfangen, die seltsam mit der traurigen Mission des Herzogs kontrastierten.
Dem König waren diese lauten, prunkvollen Feste eine Gewohnheit geworden, die er nicht mehr entbehren zu können glaubte. Die rechte Freude, die ihn noch bis vor kurzem angespornt hatte, selbst handelnd bei den dramatischen Vorführungen aufzutreten, seinen Geschmack und
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