Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
seine Fantasie bei den Arrangements ins Treffen zu führen, war nicht mehr dabei. Er überließ es der Montespan, das Gold für ihn rollen zu lassen.
Es gab nach dem plötzlichen Tode Madames in der Blüte ihrer Jahre Stunden im Leben des Königs, in denen melancholische Anwandlungen ihn verfolgten. Er suchte sich ihnen durch Arbeit und Zerstreuungen, die nicht immer ihre Schuldigkeit taten, zu entziehen. Er mied das ernste Gesicht seiner Gattin, er ging den traurigen Augen der La Vallière aus dem Wege, er suchte Erinnerungen zu bannen, die sich nicht immer bannen lassen wollten.
Eines Abends, bei einer Promenade mit Frau von Montespan auf der großen Terrasse von Saint-Germain, wies der König auf die Türme von Saint-Denis. Er seufzte gepresst.
„Ein trauriger und finsterer Anblick, Athenais, der mir mehr und mehr den Geschmack an dieser schönen Residenz verdirbt.”
Frau von Montespan, nicht eben zart von Empfindung, begriff nicht gleich, wohin der König zielte.
„Kann es einen entzückenderen Aufenthalt geben, Sire, als dieses Schloss mit seiner wundervollen Lage, seinen bezaubernden Ausblicken auf die Seine, auf Wälder und Jagdgründe, auf weite grüne Wiesen?”
Der König schüttelte den Kopf.
„Ich liebe Saint-Germain nicht mehr. Ich gedenke mich ganz nach Versailles zurückzuziehen. Ich will Ihnen etwas erzählen, Athenais, das Sie in Erstaunen setzen wird, da Sie mich weder als weibisch noch als abergläubisch kennen.”
„Bei Gott nicht, Sire!”
„Wenige Tage vor dem letzten tödlichen Anfall der Königinmutter promenierte ich allein, tief in Gedanken verloren auf dieser selben Terrasse. Plötzlich schreckte mich ein seltsam helles rotes Licht auf. Es stand über Saint-Denis. Als ich näher zusah, fuhr ein Gewölk durch den roten Schein. Mehr und mehr nahm es die Form eines Leichenwagens, geschmückt mit den Wappen Österreichs, an. Wenige Tage später wurde meine arme Mutter nach Saint-Denis gebracht.”
Athenais von Montespan heuchelte warmes Mitempfinden.
„Vier oder fünf Tage vor dem entsetzlichen Unglück unserer armen, lieben Henriette”, fuhr der König fort, „erschienen mir im Schlaf die Turmspitzen von Saint-Denis, ganz bedeckt von schwärzlichen Flammen. Inmitten dieser Flammen stand der Tod. In seinen Knochenhänden hielt er juwelenbedeckte Armbänder, Halsketten aus Perlen und Diamanten, die er hohnlachend in die Flammen warf.”
Der König stöhnte auf.
„Sie werden begreifen, dass der Anblick von Saint-Denis mir die Freude an dieser blühenden Landschaft verleidet. Meine Mutter — meine Freundin — meine Töchter liegen unter diesen Türmen begraben — wer weiß, wer der nächste Anwärter für die Königsgruft sein wird!”
Athenais erwiderte ein paar kluge Worte, die den König aus seiner melancholischen Stimmung reißen sollten. Louis aber hörte kaum auf sie. In diesem Augenblick hätte er viel darum gegeben, Louise von La Vallière an seiner Seite zu haben, in ihre traurigen, mitfühlenden Augen zu sehen, ihre sanfte tröstende Stimme zu hören.
Seit dem Tode Madames, mit der alles Glück, alle Schmerzen ihrer Jugend so eng verknüpft gewesen, hatte Louise von La Vallière nur einen Gedanken: sich von der Welt zurückzuziehen, ihren Frieden mit dem Himmel zu machen. Unaussprechlich folterte sie die Vorstellung, plötzlich abgerufen zu werden, wie Henriette von England, bevor sie durch ein gottgefälliges Leben ihre Sünden abgebüßt hatte.
Das Auflösen aller irdischen Bande hatte nichts Schreckliches mehr für sie. Ihren Abschied von der Liebe des Königs, den schwersten, den es auf der Welt für sie gab, hatte sie längst genommen. Ihre Kinder brauchten sie nicht mehr — sie durfte sie mit gutem Gewissen verlassen.
Das reizende Fräulein von Blois — wie der König seine Lieblingstochter Marie-Anne benannt hatte —, der kleine Graf von Vermandois waren vermögender als sie, die sie nur die Nutznießung der reichen Dotation des Königs an seine Kinder hatte. Colbert verwaltete das Vermögen beider. Frau Colbert sorgte für ihr geistiges und körperliches Wohl. Marie-Anne würde sich nach kurzem Schmerz daran gewöhnen, wieder ganz mit den Colberts zu leben, würde die Mutter, bei der sie von Zeit zu Zeit durch Monate geweilt hatte, vergessen.
Louise selbst lag nur noch die eine Pflicht gegen ihre Kinder ob: sich durch ein Leben der Buße für sie zu rehabilitieren.
Ihr Schwanken galt längst nicht mehr dem Abschied von der Welt, es galt nur noch
Weitere Kostenlose Bücher