Die Geliebte des Trompeters
das ihn so verzaubert hatte. Dabei hatte er sie kaum gesehen.
Wie war sie denn?, fragte Dick, nicht übermäßig beeindruckt, als der Junge die Szene wieder und wieder beschrieb. Aber der Junge hatte sich nur Bruchstücke gemerkt: den Rock, die löchrigen Strümpfe und sehr helle Augen. Nicht einmal an die Haare konnte er sich erinnern! Dick zuckte die Achseln, es war hoffnungslos. Wieder einmal bot er dem Jungen eine seiner sauberen amerikanischen Krankenschwestern an. Die hatte er sich regelrecht gefügig gemacht, so prahlte er, mit französischen Pornofilmen. Die beiden Mädchen in ihren Schwesterntrachten sahen nicht so aus, als ob Dick sie bestechen müsste. Beide – die eine blond wie Doris Day, die andere dunkel wie Maureen O’ Hara – waren nette, ein wenig aufgedrehte Mädchen, die alles wahnsinnig aufregend fanden, vor allem diesen muskulösen Neunzehnjährigen aus Kalifornien, der auf dem Schreibtisch einen einhändigen Handstand vorführte, während er mit der freien Hand die Schublade aufzog, in der Strümpfe, Pralinen und französische Parfüms sichtbar wurden.
Der Junge war nicht interessiert. Die Fröhlichkeit der Mädchen |49| hatte etwas Professionelles, sie knipsten ihr Lächeln so routiniert wie das Feuerzeug an, mit dem sie die Chesterfields anzündeten, die ihnen Dick in großzügigen Mengen zusteckte. Ein Wort von ihm genügte, und sie würden
die Beine breit machen
. So hieß das bei Dick.
So hatte es auch bei den Nachbarsjungen geheißen, damals, als sie von Oklahoma nach Kalifornien gezogen waren. Zuerst hatten sie in einer schäbigen Wohnung über einem Schnellrestaurant gewohnt, wo jeden Morgen der Geruch von verbranntem Kaffee und jeden Abend der Dunst von Ketchup und Fertigsaucen in ihre zwei Zimmer gedrungen war. Aber dann hatte die Mutter ein bezahlbares kleines Holzhaus gefunden, und die Familie zog wieder um, diesmal nach Glendale, einem Vorort von Los Angeles mitten im San Fernando Valley, und der frische Geruch von Orangenbäumen, Eukalyptus und das Grün der jungen Rebstöcke vertrieben den Muff und die Depression der vergangenen Jahre. Der Junge atmete auf. Er kam in der neuen Schule gut zurecht, so gut, dass er sogar eine Klasse übersprang, und er fand schnell neue Freunde, zwei Brüder aus der Nachbarschaft.
Diese beiden hatten ihm auch gezeigt, wie das funktionierte mit den Mädchen, die
die Beine breit machen.
Sie kannten ein solches Mädchen, Ennie, eine etwas zurückgebliebene, dickliche Fünfzehnjährige. Zu viert zogen sie sich in das Baumhaus zurück, das die Jungen in den Eukalyptuswald nahe der Siedlung gebaut hatten. Das Mädchen legte sich auf den Rücken und zog den Rocksaum hoch bis zum Hals. Ihr Schlüpfer war nicht sauber. Du kannst als Erster, sagte sie zu dem Jungen, der ihr am besten gefiel. Also war er der Erste. Sie zeigte ihm, wie er in sie eindringen konnte, und er war so verdutzt und überwältigt, dass er schon nach wenigen Sekunden kam. Blödmann!, sagte das Mädchen und grinste. Seine beiden |50| Kumpane lachten ihn aus: Schöner Held bist du! Dann lösten sie ihn ab.
Seitdem war es immer so gewesen. Sex war eine schnelle Sache, die irgendwie dazugehörte. Die Mädchen erwarteten das, die meisten jedenfalls, wenn man sich ein paar Mal mit ihnen getroffen und die komplizierten Regeln des
Dating
eingehalten hatte. Sie wehrten sich ein bisschen, aber nur zum Schein, und dann taten sie es eben – hinter irgendeinem Busch, oder besser auf dem Rücksitz eines alten Autos, wo man sich den Kopf und die Knie stieß, aber immerhin ungestört blieb. Meistens jedenfalls. Hinterher hatten es die Mädchen eilig, davonzukommen, viele waren auch irgendwie böse und machten ihm Vorwürfe, und er blieb allein zurück und rauchte eine, und der Hunger in ihm war nur einer resignierten Mattigkeit gewichen.
Es war nicht gut. Aber er wusste es nicht anders. Was also sollte er mit Dicks Krankenschwestern? Von denen ließ er sich allenfalls eine Spritze reinjagen. Das war Vorschrift, denn es half angeblich gegen die vielen Geschlechtskrankheiten, die kursierten und vor denen zahlreiche Broschüren warnten:
Watch up – veneral diseases.
Die Abkürzung
VD
wurde geradezu zum Synonym für den Umgang miteinander, und spöttisch redeten die GIs von den willigen
Veronikas
, die manch unerwünschtes Souvenir hinterließen. Oder bekamen.
Der Junge musterte die beiden Krankenschwestern, die sich auf Dicks Schreibtisch räkelten. Sie waren weiß und gesund und auf
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