Die Geliebte des Zeitreisenden
Keinesfalls wollte sie zugeben, wie sehr ihre tiefe geistige Verbindung sie überrascht und verunsichert hatte. Sie hatte geglaubt, diese Telepathie sei ein weiteres Zeichen dafür, dass sie füreinander bestimmt waren, aber da hatte sie sich geirrt. »Ich verstehe nicht, wie du in meinen Kopf eindringen konntest.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust, die Muskeln an seinen Unterarmen traten erneut deutlich hervor. »Und du bist in meinem Kopf gewesen. Kann uns jemand belauschen, wenn wir uns so unterhalten?«
Daran hatte sie noch nie gedacht. Sie hatte fest angenommen, dass dieses geistige Band zwischen ihnen einmalig sei. Aber nun wunderte sie sich über den seltsamen Zufall, dass der einzige Mann, der keine Angst vor ihr hatte, diese geistige Fähigkeit besaß. War es denn möglich, dass er sie gerade wegen dieses Bandes nicht fürchtete? »Hast du deinen Geist schon einmal mit dem von jemand anderem verbunden?«
»Nur mit dem von meiner Schwester.« Nach diesem Wechsel des Themas blockierte er sie zwar völlig, doch sie blieb dabei wachsam und spürte, dass er wie der Funke in einem trockenen Reisigbündel jederzeit wieder entflammen konnte. »Aber Marisa lebt zu weit von hier entfernt, als dass ich sie erreichen könnte.«
Immer wenn er von seiner Familie sprach, waren seine Worte knapp und dürr, und er richtete eine emotionale Barriere zwischen ihnen auf, die so fest wie Stein war. Daher vermutete sie, dass er einiges vor ihr verbarg.
Waren die telepathischen Fähigkeiten von Lucan und seiner Schwester auch der Grund dafür, dass sie in solcher
Abgeschiedenheit lebten? Selbst wenn sich die Zwillinge vollkommen beherrschten, waren die Menschen doch zu jedem grausam, der anders war und Kräfte hatte, die sie nicht begriffen. Cael wusste nur allzu gut, was es bedeutete, anders zu sein und darunter zu leiden. All das Tuscheln und Gerede hinter ihrem Rücken! Die Einsamkeit und das Gefühl, nirgendwo dazuzugehören.
»Bist du die einzige Drachenwandlerin?« Er stellte die Frage mit unschuldiger Stimme, aber sie spürte die gedämpfte Spannung hinter seinen Worten.
Die Gedanken rasten durch ihren Kopf, als sie überlegte, wie viel sie ihm erzählen sollte. »Das Essen ist fertig.« Sie verteilte den Eintopf auf die beiden Schüsseln, goss ein wenig Wasser in zwei Becher und setzte sich auf eine Felsstufe.
Er trug seine Schüssel und den Becher zu einem anderen Felsen. »Danke.«
Es musste eine Nachricht sein, die sie ohne Gefahr weitergeben durfte. »Den alten Legenden zufolge gibt es auf Pendragon immer nur jeweils einen Drachenwandler. Wenn ich sterbe, wird der nächste geboren. Manche behaupten zwar, es sei immer derselbe Geist, der wiedergeboren wird, aber ... das weiß niemand genau.«
»Wie fliegt ein Drache?«
Zunächst sagte sie nur das Offensichtliche. »Mit seinen Schwingen.«
»Sehr lustig.« Er lächelte; es war so bezaubernd. »Deine Schwingen sind aber doch nicht groß genug für solche Flugkünste.«
»Ich habe außerdem noch zwei große Herzen und eine poröse Knochenstruktur, die zwar stark, aber leicht ist.«
»Ja schon, aber selbst mit der Spannweite eines Gleiters und deinen leichten Knochen ist deine Masse noch zu groß, wenn man dich mit einem Vogel vergleicht.«
»Willst du mich etwa fett nennen?«
»Deine Stärke ist eher... beeindruckend.« Er sprach mit echter Bewunderung. Seine blauen Augen leuchteten und richteten sich auf sie. »Ohne deine Flugkraft hätten wir nicht überlebt. Schönheit gibt es in vielerlei Gestalt, und deine Gestalten sind allesamt wunderschön.«
Wunderschön. Noch nie hatte jemand sie wunderschön genannt. Sie schüttelte sich den verräterischen Gedanken aus dem Kopf. »Außerdem besitze ich ein zweites Paar Lungen. Sie können sich mit Gas füllen.«
»Mit Wasserstoff?«, fragte er und hielt seinen Löffel kurz vor dem Mund in der Schwebe.
»Genau. Da Wasserstoff leichter ist als Luft, schwebe ich, wenn sich meine Lungen ausdehnen.«
»Aber woher kommt der Wasserstoff?« Die Neugier und Wärme in seiner Miene erstaunten sie. Unwillkürlich flatterten ihre beiden Herzen.
Für gewöhnlich redete sie nicht gern über ihre biologische Ausstattung, doch bei Lucan spürte sie keine Missbilligung. Anstatt angeekelt zu sein, wirkte er fasziniert, was sie dazu ermunterte, ihm noch einiges Weitere mitzuteilen. »Gewisse Bakterien in meinem Magen erschaffen den Wasserstoff und treiben ihn in die Lungen.« Manchmal nahm sie sogar reinen Wasserstoff
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