Die Geliebte des Zeitreisenden
hätte sie die Folter nicht überlebt. Sie hatte ihn gebraucht, und er war ihr zu Hilfe geeilt. Er hatte ihr das Leben gerettet. Er sorgte sich um sie. Sie hatte es in seiner entsetzten Miene gelesen, in seinen wütenden blauen Augen, und sie hatte es in seinen sanften Händen gespürt. Noch erstaunlicher war, dass er sich in einen Drachen verwandelt hatte.
All diese Informationen waren schwer zu verarbeiten, vor allem angesichts ihrer Verletzungen und des Heilungsprozesses, der sie viel wertvolle Energie kostete. Aber Cael hielt sich an der tröstlichen Tatsache fest, dass sie wieder ein Team waren; der Rest schien erst einmal nicht so wichtig.
»Erzähl mir von der Kanone. Warum zögerst du so?«, fragte er, während er neben ihr herlief.
Sie wünschte, sie könnte schneller rennen, aber ihr Körper hatte sich noch nicht vollständig erholt. Sie war froh, dass sich Lucan ihrem Tempo anpasste.
Außerdem war sie auch darüber froh, dass er nicht ihren Mut infrage stellte, sondern sie nur auf ihr Zögern ansprach. Sie wünschte sich, sie könnte ihm einen besseren Grund als nur den ihrer Kindheitsängste nennen.
Cael musste sich ein wenig erholen und fiel in einen raschen Spazierschritt. »Ich habe mich schon immer vor ihr gefürchtet. Ich weiß nicht genau, warum das so ist - vielleicht weil ich nicht weiß, wie sie funktioniert.«
»Das wäre eine Erklärung.« Er ergriff ihre Hand. »Weiß denn das Militär von dieser Kanone?«
»Möglicherweise.« Sie seufzte. Der Älteste Selick hatte sie verraten, und es war unmöglich zu sagen, welche heiligen Informationen er weitergegeben haben mochte. »Aber da das Militär vermutlich glaubt, ich sei tot, wird wohl kaum jemand annehmen, dass wir diesen uralten Fluchtweg benutzen.«
»Vermutungen helfen uns nicht weiter. Bestimmt hätte der Mann, der dich gefoltert hat, seinen Vorgesetzten schon längst Bericht erstatten müssen. Die Maschinen, die wir hören, könnten sich auf einem Routineflug befinden, oder aber sie vermuten, dass wir entkommen sind.«
»Wenn wir nicht so schwach wären, könnten wir einfach wegfliegen«, sagte sie, »aber in unserem Zustand ist das leider nicht möglich. Hier entlang.« Sie führte Lucan durch eine Seitentür in einen Hof an der Hinterseite des Gebäudes und blickte kurz in den Himmel hinauf. Vor Angst setzte ihr Puls aus. »Die Flugzeuge sind näher gekommen.«
»Ich kann sie hören.«
Hand in Hand rannten Cael und Lucan über das Gras. Sie hasteten an kunstvoll geschnittenen Hecken, Blumenbeeten und mehreren Teichen mit tropischen Fischen vorbei. Keuchend führte sie ihn auf die breite Treppe zu, die in den alten Tempel führte, der zu Ehren der Drachenwandler errichtet worden war. Nach Drachenmaßstäben war es ein kleiner und behaglicher Tempel. Das Kuppeldach wurde von gewaltigen Säulen getragen, die so weit voneinander entfernt standen, dass ein Drache zwischen ihnen hindurchschreiten konnte.
Als sie die ausgetretenen Steinstufen hinaufhasteten, roch Cael den vertrauten Duft von Weihrauch, Wachs und altem Staub, der sich in den Spalten und Rissen der dicken, alten Wände festgesetzt hatte. Die weite Eingangshalle verengte sich rasch, und Lucan wurde langsamer. Er reckte den Kopf, um die Inschriften lesen zu können, die sich um die anmutigen Säulen wanden.
»Dafür ist jetzt keine Zeit.« Sie zerrte ihn durch einen Korridor mit wundervoller Bleiverglasung. Normalerweise hielt sie hier an, entzündete die Zeremonialkerzen und läutete die Glocken - ein Tribut an ihre Drachenvorfahren. Doch heute musste das Ritual Wichtigerem weichen. Sie eilte unmittelbar auf den Mittelpunkt des Tempels zu.
Lucan war langsamer geworden, weil er die gewölbte Decke betrachten wollte. Natürliches Licht fiel durch die oberen Fenster, floss über die Wände und flackerte auf dem goldenen Boden. Er stieß ein leises, anerkennendes Pfeifen aus.
Cael hatte hier schon so viel Zeit verbracht, dass sie manchmal vergaß, wie faszinierend die Platinbilder an der Decke sein konnten. In den Marmor eingemeißelte Bildwerke zeigten das Leben der Drachen, die Göttin und das esoterische Reich der Wiedergeburt. Die Ältesten hatten diese gemeißelten und vergoldeten Botschaften von Caels Ahnen dazu benutzt, ihr die Bedeutung des Drachenwandeins näherzubringen.
»Komm weiter, Lucan. Ich brauche deine Hilfe.« Sie eilte in den nächsten Raum und auf einen Hebel in der Wand zu, der eine uralte Maschine in Bewegung setzte, die aus Maschinenteilen und
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