Die Geliebte des Zeitreisenden
über die Schulter durch das Schaufenster und bemerkte, wie zwei Männer in Militäruniform aus dem Gleiter sprangen und nervös an ihren Waffen herumfingerten.
»Durch den Hinterausgang.« Lucan schob sie an Garnrollen und Stricknadeln vorbei, und bald standen sie in einer engen Gasse. Cael war todmüde und so erschöpft, dass sie sich kaum mehr bewegen konnte. Stolpernd versuchte sie, mit Lucan mitzuhalten.
»Lauf!«, drängte dieser sie.
»Ich kann nicht.« Sie bedeutete ihm mit einer Handbewegung, er solle fliehen. »Sie sind hinter dir her. Lass mich hier zurück.«
Sie erwartete, dass er sich mit ihr stritt. Doch stattdessen gab er ihr einen raschen Kuss und rannte die Gasse ent- lang.
Er hatte sie verlassen.
Schockiert lehnte sie sich gegen die Haus wand. Benommen und voller Schmerz fragte sie sich, wohin Lucan wohl fliehen wollte, und erwartete die Soldaten. Es konnte doch nicht wahr sein, dass Lucan sie einfach preisgab. Tief in ihrem Herzen wusste sie allerdings, dass er sie nicht aus der Folter gerettet hatte, nur um sie dieser neuen Bedrohung nun schutzlos auszusetzen.
Sie mochte seine Pläne nicht kennen, aber sie glaubte, dass er sein Bestes tat, ihr zu helfen. Sie hatte das Grauen in seinem Blick gesehen, als er sie angekettet und blutend gefunden hatte. Er hatte zusammen mit ihr nach Nisco gesucht, obwohl er eigentlich nach Avalon zurückkehren wollte. Sie war vielleicht nicht sehr erfahren, was Beziehungen betraf, aber sie kannte ihn. Er sorgte sich um sie. Wenn er die Wahl hatte, würde ein so ehrenhafter Mann wie er sie niemals einer Gefahr aussetzen.
Mit flatternden Nerven wartete sie. Die Soldaten stürmten aus dem Laden, als wären ihre Füße in Brand gesetzt worden. Einen Moment lang berieten sie sich, ob sie nach rechts oder nach links laufen sollten; ihre Blicke glitten an Cael vorbei, ohne sie zu bemerken.
Wenn sie Glück hatte, würden sie in die andere Richtung laufen.
Aber Cael hatte kein Glück.
»Da ist sie!«, rief der eine Soldat mit ängstlicher Stimme und riss die Waffe aus dem Halfter. »Nicht bewegen!«
Wen sie sich hätte bewegen können, hätte sie vielleicht aufgelacht, aber dazu hatte sie gar nicht mehr die Kraft. Wenn sie Cael fassen wollten, dann würden sie sie tragen müssen. Aber niemand rührte eine Drachenwandlerin an.
Vermutlich würden die Männer sie erschießen.
Sie würde sterben. Obwohl sie dieser Gedanke sehr aufregte, wünschte sie sich doch am meisten, sie wüsste, ob sich Lucan in Sicherheit befände. Sie wünschte, er möge wissen, dass sie in den Tod ging, ohne ihm die Schuld zu geben. Was immer er war, er würde alles tun, um sie zu retten. Sie befürchtete, dass auch er in die Ecke getrieben worden war.
Cael schloss die Augen und betete, dass die Waffe sie mit einem einzigen sauberen Schuss tötete.
Sie hörte ein lautes, dumpfes Geräusch, ein Grunzen, und zwei Schüsse wurden abgefeuert. Aber sie verspürte keinen Schmerz. Zuerst glaubte sie, sie wäre tot. Den Ältesten zufolge versprach die Göttin doch, dass es im Jenseits keine Schmerzen gab.
Mit einem letzten Rest an Kraft öffnete sie die Augen. Sie war nicht tot, aber die Soldaten waren es - zumindest wirkten sie bewusstlos.
Lucan stand über ihnen und fesselte ihnen die Hände mit ihren Gürteln hinter dem Rücken. Vom Dach aus war er auf die Angreifer gesprungen. Er hatte Cael gerettet. Wieder einmal.
Lucan beharrte darauf, dass Cael das gesamte Platin zu sich nahm, das sie in der Stadt gekauft hatten. Als ihre Kräfte zurückgekehrt waren, flog sie ihn zu der Höhle vor Feridon und verwandelte sich wieder in ihre menschliche Gestalt. Lucan zog ihre Kleidung unter seinem Hemd hervor und gab sie an Cael weiter. Sie zog sich an und hoffte, dass die Computerbotschaft, die Sonelle ihr von Nisco gegeben hatte, auch echt gewesen sein mochte. Aber wenn Nisco hier war, warum hatte sie Cael und Lucan dann nicht begrüßt? Ihre Schwester kannte sich an diesem Ort gut aus und hätte sich niemals verlaufen, doch Merlin war das einzige lebende Wesen weit und breit.
Als Cael und Lucan die dunkle Höhle betraten, fanden sie Nisco dort allerdings nicht.
»Was glaubst du, wo sie steckt?« Lucan spähte über
Caels Schulter in den leeren Raum; sein Atem fühlte sich an ihrem Hals warm an.
»Vielleicht hat sie einen Umweg genommen, um nicht verfolgt zu werden.« Cael betete, dass sie damit recht haben möge.
»Dann bleibt uns erst einmal nichts anderes übrig als zu warten.« Lucan deutete
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