Die Geliebte des Zeitreisenden
Sinnbild für alle Völker: Britannier, Christen, Druiden, das Alte Volk und all jene, die an Avalon glauben. Arthur Pendragon
Lucan hatte sie geküsst. Und sie war in seinen Armen hingeschmolzen, hatte sich geradewegs in diesen Kuss gestürzt. Dass er hier mit ihr zusammen war, bedeutete alles für sie. Anstatt zum Obelisken von Avalon zu gehen und nach dem Gral zu suchen, war er ihr zu Hilfe geeilt. Selbst jetzt spürte sie noch seine Sorgen um sie - und seine andauernde Begierde. Sie schlang die Arme um seine Schultern, fuhr mit den Fingern durch seine Haare, stand auf den Zehenspitzen und drückte sich an ihn - Brust gegen Brust, Hüfte gegen Hüfte.
Er hatte sie mit aller Dringlichkeit, die sie sich wünschen konnte, in die Arme genommen. Einen Augenblick lang erlaubte Cael es sich, von ihren Empfindungen hinweggetrieben zu werden, doch dann gewann ihre Empathie wieder die Oberhand. Sie las tiefer in Lucan, und der Zwiespalt, der in ihm tobte, verwirrte sie. Sie spürte seine ehrliche Sorge um sie. Doch auch als sie sein Verlangen schmeckte, bemerkte sie, dass er unter der Oberfläche angespannt und zerrissen war.
Allzu schnell löste er sich wieder von ihr. Sie spürte, wie er seine Begierde in die Schranken verwies. Er hob
die Hand und schob ihr eine lose Haarsträhne hinter das Ohr.
Mit einem Hut auf dem Kopf und in Kleidern, die ihre Schuppen verbargen, konnte Cael es endlich wagen, eines ihrer Versprechen an Jaylon zu erfüllen. Und sich hoffentlich mit Nisco treffen. Cael hatte ihren Platinvorrat noch nicht aufgefüllt, aber die Vorfreude darauf, ihre Familie wiederzusehen, verschaffte ihr genug Energie.
Es war angenehm, sich frei durch das Krankenhaus bewegen zu können, ohne dass sie befürchten musste, jemand könnte sie erkennen. Aber die rosafarbenen Wände erinnerten Cael auch an all ihre Misserfolge als Heilerin. Obwohl die Wissenschaft der Medizin in den letzten Jahrhunderten stetige Forschritte gemacht hatte, kamen zu viele Angehörige ihres Volkes hierher und gingen nicht mehr fort. Für viele Krankheiten gab es noch keine Heilung. Und sie war es müde, den wissenschaftlichen Durchbruch zu erwarten und darauf zu hoffen, dass die Ärzte auf der Suche nach neuen Heilmitteln erfolgreich waren.
In dem Augenblick, in dem Cael Jaylons Tür öffnete, keuchte Sonelle auf. Sie hatte ihre Schwester sofort erkannt. Hinter dem Rücken der Krankenschwester hob Cael den Finger an die Lippen, und Sonelle nickte.
Das Haar ihrer Schwester war grau geworden, seit Cael sie zum letzten Mal gesehen hatte. Sie hatte Gewicht verloren, und ihre schönen blauen Augen waren blutunterlaufen und verschattet. In ihrem Kummer aß ihre Schwester vermutlich nicht genug. Oder sie schlief nicht ausreichend. Als gute Mutter lebte sie andauernd an Jaylons Seite, doch ihre eigene Gesundheit vernachlässigte sie.
Die Krankenschwester nickte Lucan und Cael geschäftsmäßig zu. »Bleiben Sie nicht zu lange, damit unser kleiner Patient nicht zu müde wird.«
Cael bemerkte die Farbe des Jungen. Er war bei Weitem zu blass. Jaylons Augen wirkten in dem eingefallenen Gesicht riesig. Schläuche verschwanden in seinem Bauch. Ein Sauerstoffschlauch war unter seiner Nase festgebunden. Automatisch überprüfte sie die Monitore und unterdrückte ihr Entsetzen über das, was sie dort sah.
Cael setzte sich neben ihn auf das Bett. »Wie fühlst du dich, Jaylon?«
Er sah auf und erkannte sie endlich hinter ihrer Verkleidung. »Hast du den Gral gefunden?«
Bei seinem schwachen Flüstern schnürte sich ihr die Kehle zu, und sie schüttelte den Kopf. Sowohl die dunklen Ringe um seine Augen als auch die papierne Haut verrieten ihr, dass Jaylons Krebs nicht mehr unter Kontrolle war.
Jaylons ruhiger Blick wanderte zu Lucan hinüber. »Bist du ein Freund von Cael?«
»Das bin ich.«
»Gut.« Jaylon seufzte. »Sie braucht auch einen Freund, wenn ich nicht mehr da bin.«
»Ich habe dir doch verboten, so etwas zu sagen«, schluchzte Sonelle.
»Eine Lüge verändert die Wahrheit nicht.« Jaylon leckte sich über die Lippen, und Cael hielt ihm ein Wasserglas mit einem Trinkhalm an den Mund. Sie wünschte, es wäre der Gral. Dieser tapfere Junge hatte sich kaum jemals beschwert. Nicht darüber, dass er nicht mit den anderen Kindern spielen konnte. Nicht einmal darüber, dass sein Magen jede Nahrung verweigerte.
Er nippte an dem Wasser, schluckte und sah dabei Cael an. Die Krankheit schien ihn weiser gemacht zu haben, als er an Jahren
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