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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wollte. Dieser erklärte sich nur allzugern bereit, sie zu verlassen - und zwar endgültig, wie er dramatisch hinzufügte.
    Des Prinzen Abgang wurde jedoch durch den Umstand behindert, daß Louises Gatte zurückgekehrt war und es sich mit einer Flasche Weinbrand im Vorzimmer bequem gemacht hatte.
    »Und so«, fuhr Jamie fort, wobei er unwillkürlich grinsen mußte, »konnte er nicht bei dem Mädel bleiben, aber auch nicht hinausgehen. Deshalb stieg er durch das Fenster aufs Dach. Er war über die Regenrinne schon fast zur Straße hinuntergelangt, da kam die Wache daher, und er mußte wieder hinaufklettern, um nicht gesehen zu werden. Er meint, es habe ihn nicht sonderlich amüsiert, um Kamine herumzuschlüpfen und auf den nassen Ziegeln auszurutschen. Dann fiel ihm ein, daß wir ja nur drei Häuser weiter wohnen und die Dächer so nahe beieinander liegen, daß man leicht von einem zum anderen springen kann.«

    »Mmh«, meinte ich und spürte, wie die Wärme in meine Zehen zurückkehrte. »Hast du ihn mit der Kutsche nach Hause geschickt?«
    »Nein, er hat eins von unseren Stallpferden genommen.«
    »Wenn er Jareds Portwein getrunken hat, hoffe ich nur, daß er es noch bis zum Montmartre schafft«, bemerkte ich. »Es ist ein ziemlich langer Weg.«
    »Ja, und es wird zweifellos ein kalter, nasser Ritt werden«, erwiderte Jamie mit der Selbstgefälligkeit eines Mannes, der neben seinem rechtmäßig angetrauten Weib im warmen Bett liegt. Er blies die Kerze aus und zog mich an seine Brust.
    »Geschieht ihm recht«, murmelte er. »Ein Mann sollte verheiratet sein.«
     
    Die Hausangestellten waren bereits vor Tagesanbruch aufgestanden und putzten und polierten, da am Abend Monsieur Duverney zu einem Essen im kleinen Kreis erwartet wurde.
    »Ich weiß nicht, warum sie sich die Mühe machen«, sagte ich zu Jamie, während ich mit geschlossenen Augen dalag und auf das geschäftige Treiben im Haus lauschte. »Sie bräuchten doch nur das Schachspiel abzustauben und eine Flasche Weinbrand bereitzustellen; etwas anderes bemerkt er sowieso nicht.«
    Jamie lachte. »Das ist schon gut so; ich brauche ein kräftiges Abendessen, wenn ich ihn schlagen will.« Dann gab er mir einen Abschiedskuß und meinte: »Ich gehe ins Lagerhaus, Sassenach, aber ich bin rechtzeitig zurück, um mich umzuziehen.«
    Um den Dienstboten nicht im Weg zu stehen, beschloß ich, mich von einem Lakaien zu den de Rohans begleiten zu lassen. Vielleicht konnte Louise nach dem Streit letzte Nacht ein bißchen Trost brauchen. Mit vulgärer Neugierde, so redete ich mir ein, hatte das überhaupt nichts zu tun.
     
    Als ich am Spätnachmittag zurückkehrte, fand ich Jamie in einem Sessel neben dem Schlafzimmerfenster, die Füße auf dem Tisch. Mit offenem Kragen und ungekämmten Haaren brütete er über einem Bündel bekritzelter Blätter. Als er hörte, wie die Tür geschlossen wurde, blickte er auf und schenkte mir ein breites Grinsen.
    »Sassenach! Da bist du ja!« Er stand auf und umarmte mich. Das
Gesicht in meine Haare vergraben, schnupperte er, dann fuhr er plötzlich zurück und nieste. Gleich darauf nieste er noch einmal, ließ mich los und griff nach seinem Taschentuch, das er in Soldatenmanier in seinem Ärmel stecken hatte.
    »Wie riechst du denn, Sassenach?« fragte er unwirsch und preßte das viereckige Leinentuch an seine Nase, gerade noch rechtzeitig vor dem nächsten Niesanfall.
    Ich faßte in den Ausschnitt meines Kleides und zog das Stoffsäckchen zwischen meinen Brüsten heraus.
    »Jasmin, Rose, Hyazinthe, Maiglöckchen... und anscheinend auch Kreuzkraut«, zählte ich auf, während er in das große Taschentuch prustete und schneuzte. »Ist alles in Ordnung?«
    »Aye, es geht schon. Das sind die Hya... Hya... Hyatschü!«
    »Himmel!«Ich öffnete schnell das Fenster und winkte ihn herbei. Gehorsam streckte er den Kopf in den Nieselregen hinaus, wo er frische, hyazinthenfreie Luft atmen konnte.
    »Ah, das tut gut«, sagte er erleichtert, als er ein paar Minuten später den Kopf wieder hereinzog. Mir großen Augen starrte er mich an. »Was machst du da, Sassenach?«
    »Ich wasche mich«, antwortete ich, während ich an den Bändern meines Kleides nestelte. »Zumindest habe ich es vor. Ich habe am ganzen Körper Hyazinthenöl«, erklärte ich angesichts seiner verständnislosen Miene. »Wenn ich es nicht abwasche, zerreißt es dich am Ende noch.«
    Nachdenklich wischte er sich die Nase und nickte.
    »Da könntest du nicht unrecht haben, Sassenach.

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