Die Geliehene Zeit
Soll ich den Lakaien nach heißem Wasser schicken?«
»Nein, das ist nicht nötig. Mit einer schnellen Wäsche müßte ich das meiste wegkriegen«, versicherte ich ihm und entledigte mich möglichst rasch meiner Kleider. Als ich hinter meinen Kopf faßte, um die Haare zu einem Knoten aufzustecken, packte Jamie mich plötzlich am Handgelenk und riß meinen Arm hoch.
»Was soll das?« fragte ich verwundert.
»Erklär mir mal, was das soll, Sassenach!« entgegnete er ungehalten und starrte in meine Achselhöhle.
»Ich hab’ mich rasiert«, antwortete ich stolz. »Besser gesagt, gewachst. Louise hatte heute morgen ihre servante aux petits soins da - du weißt schon, die Dame für die Schönheitspflege -, und die hat mich auch gleich behandelt.«
»Gewachst?« Jamies Blick schweifte zwischen mir und dem Kerzenhalter neben dem Wasserkrug hin und her. »Du hast dir Wachs in die Achseln getan?«
»Nicht so ein Wachs«, beruhigte ich ihn. »Parfümiertes Bienenwachs. Die Schönheitspflegerin hat es erwärmt und dann das flüssige Wachs aufgetragen. Wenn es abgekühlt ist, braucht man es nur noch abziehen«, mir schauderte bei der Erinnerung daran, »und fertig ist die Laube!«
»Was für eine Laube?« fragte Jamie irritiert. »Wofür zum Teufel soll das gut sein?« Er nahm die besagte Körperpartie näher in Augenschein. »Hat das nicht weh... wehge-hatschi!« Er ließ mein Handgelenk los und wandte sich ab.
»Hat es nicht wehgetan?« brummelte er in das Taschentuch.
»Ein bißchen schon«, gestand ich. »Aber es hat sich doch gelohnt, findest du nicht?« meinte ich, hob wie eine Ballerina die Arme und drehte mich ein wenig. »Zum erstenmal seit Monaten fühle ich mich richtig sauber.«
»Gelohnt?« wiederholte er mit etwas belegter Stimme. »Was hat es mit Sauberkeit zu tun, wenn man sich die Achselhaare ausreißt?«
Da kam mir ein wenig verspätet zu Bewußtsein, daß sich von den Schottinnen, die ich kannte, keine einzige enthaart hatte. Daß das bei vielen Pariserinnen aus der Oberschicht üblich war, konnte Jamie nicht wissen, da er wohl kaum so engen Kontakt zu ihnen gehabt hatte. »Na ja...«, meinte ich und erkannte plötzlich, wie schwierig es für einen Völkerkundler sein mußte, die Sitten und Gebräuche eines Eingeborenenstammes zu erläutern. »Es riecht weniger«, argumentierte ich.
»Und was soll mit deinem Geruch nicht in Ordnung sein?« entgegnete er hitzig. »Du hast wie eine Frau gerochen, nicht wie ein verdammtes Blumenbeet. Bin ich ein Mann oder eine Hummel? Würdest du dich bitte waschen, Sassenach, damit ich nicht ständig fünf Schritte Abstand von dir halten muß?«
Ich nahm einen Waschlappen und begann meinen Oberkörper abzureiben. Madame Laserre, Louises Schönheitspflegerin, hatte mich über und über mit dem Duftöl parfümiert; hoffentlich ließ es sich leicht abwaschen. So wie Jamie mich außer Reichweite anfunkelte, erinnerte er mich fatal an einen Wolf, der seine Beute umkreist.
Während ich ihm den Rücken zukehrte, erwähnte ich beiläufig: »Äh, ich hab’ mir auch die Beine gewachst.«
Bei einem flüchtigen Blick über die Schulter sah ich, daß sein anfänglicher Schrecken in völlige Verwirrung umgeschlagen war.
»Beine riechen doch gar nicht«, sagte er, »wenn man nicht gerade bis zu den Knien in der Jauche steht.«
Ich drehte mich um, hob den Rock und streckte anmutig ein Bein vor.
»Aber es sieht so viel hübscher aus«, bemerkte ich. »So schön glatt, nicht wie bei einem Affen.«
Beleidigt sah er auf seine eigenen wuscheligen Beine hinunter.
»Ich bin also ein Affe, wie?«
»Doch nicht du, ich!« widersprach ich ärgerlich.
»Meine Beine sind allemal behaarter, als deine jemals waren!«
»Na, das sollen sie auch! Du bist ja schließlich ein Mann!«
Er schien etwas entgegnen zu wollen, schüttelte aber nur seufzend den Kopf und brummte irgend etwas Gälisches.
Dann ließ er sich in seinen Sessel fallen und beobachtete mich aus zusammengekniffenen Augen, während er weiterhin vor sich hin murmelte. Ich beschloß, ihm und mir eine Übersetzung zu ersparen.
»Weißt du, es hätte noch schlimmer kommen können«, meinte ich, während ich einen Oberschenkel abrieb. »Louise hat sich am gesamten Körper enthaaren lassen.«
Meine Worte ließen ihn zumindest vorübergehend zur englischen Sprache zurückfinden.
»Was, sie hat sich die Haare um ihren Honigtopf weggemacht?« In seinem Entsetzen ließ er sich sogar zu einer charakteristischen Vulgarität
Weitere Kostenlose Bücher