Die Geliehene Zeit
der Stuarts. Die Briefe stammten von Abt Alexander, vom Grafen von Mar und anderen prominenten Jakobiten. Und in allen ging es um verhüllte Anfragen, vage Versprechungen und widersprüchliche Erwartungen.
»Ich komme mir vor, als würde ich gegen Schatten kämpfen!« polterte Jamie los. »Einen richtigen Kampf führen, gegen etwas Greifbares, das wäre in Ordnung. Aber das...« Er packte die Handvoll Briefe und warf sie in die Luft. Ziellos flatterten die Papiere hin und her, bis sie unter Möbelstücken oder auf dem Teppich landeten.
»Es gibt nichts Handfestes«, sagte er ratlos. »Ich kann mit tausend Leuten reden, hundert Briefe schreiben, mit Charles bis zum Umfallen saufen, und trotzdem weiß ich nie, ob ich auch nur einen Schritt weiterkomme.«
Ich ließ die Briefe liegen; einer der Dienstboten würde sie später aufheben.
»Jamie«, sagte ich leise, »wir können es nur immer wieder versuchen.«
Er lächelte schwach. »Aye. Ich bin froh, daß du ›wir‹ sagst, Sassenach. Manchmal komme ich mir mit alldem ziemlich alleingelassen vor.«
Da legte ich meinen Arm um seine Hüfte und schmiegte mein Gesicht an seinen Rücken.
»Du weißt, daß ich dich damit nicht allein lasse«, erwiderte ich. »Schließlich habe ich dich ja in die Sache hineingezogen.«
Ich spürte ein leichtes Vibrieren an meiner Wange, als er lachte.
»Aye. Aber ich mache dir keinen Vorwurf daraus, Sassenach.« Er drehte sich zu mir um und küßte mich sanft auf die Stirn. »Du siehst müde aus, mo duinne. Geh ins Bett. Ich muß noch ein bißchen arbeiten, aber ich komme bald nach.«
»Gut.« Ich war tatsächlich müde, obwohl nach der Dauermüdigkeit der ersten Schwangerschaftszeit neue Lebensgeister in mir erwacht waren. Tagsüber fühlte ich mich neuerdings putzmunter und barst beinahe vor Tatendrang.
Beim Gehen blieb ich an der Tür stehen. Jamie stand noch immer am Schreibtisch und blickte in das aufgeschlagene Geschäftsbuch.
»Jamie?«
»Aye?«
»Wegen der Sache mit dem Krankenhaus - ich sagte, ich werde darüber nachdenken. Tust du es auch, ja?«
Er drehte den Kopf zu mir und musterte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue. Dann lächelte er und nickte kurz.
»Ich bin gleich bei dir, Sassenach«, sagte er.
Draußen fiel noch immer Schneeregen, und gefrorene Regenkörnchen schlugen gegen die Scheiben. Das Stöhnen und Heulen des Windes im Schornstein ließ das Schlafzimmer noch gemütlicher erscheinen.
Das Bett war dank der Gänsedaunendecken, den riesigen weichen Kopfkissen und Jamie, der wie ein Nachtspeicherofen konstant Wärme abgab, eine Oase der Behaglichkeit.
Seine große Hand strich sanft über meinen Bauch.
»Nein, da. Du mußt ein bißchen fester drücken.« Ich führte seine Hand etwas tiefer bis knapp über mein Schambein, wo der Uterus mittlerweile als eine rundliche, harte Schwellung von der Größe einer Pampelmuse zu ertasten war.
»Aye, jetzt spüre ich es«, murmelte er. »Er ist tatsächlich da.« Ein ehrfürchtiges, entzücktes Lächeln spielte um seine Lippen, dann sah er mit glänzenden Augen auf. »Merkst du es schon, wenn er sich bewegt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Noch nicht. In einem Monat oder so, wenn deine Schwester Jenny recht hat.«
»Mmm«, meinte er und liebkoste die leichte Wölbung. »Was hältst du von ›Dalhousie‹, Sassenach?«
»Wovon?« fragte ich.
»Na, von dem Namen Dalhousie«, erklärte er, während er zärtlich meinen Bauch tätschelte. »Wir müssen ihm ja einen Namen geben.«
»Stimmt«, sagte ich. »Aber woher willst du wissen, daß es ein Junge ist? Es könnte ebensogut ein Mädchen sein.«
»Äh - aye, da hast du recht«, räumte er ein, als zöge er zum erstenmal diese Möglichkeit in Betracht. »Aber trotzdem können wir uns ja erst einen Jungennamen überlegen. Wir könnten ihn nach deinem Onkel nennen, von dem du mir erzählt hast. Der, der dich aufgezogen hat.«
»Hmm«, brummte ich mißbilligend. So sehr ich meinen Onkel Lamb gemocht hatte, einen Namen wie »Lambert« oder »Quentin« wollte ich einem wehrlosen Kind nicht antun. »Nein, lieber nicht. Andererseits will ich ihn auch nicht nach einem von deinen Onkeln benennen, glaube ich.«
»Wie hieß dein Vater, Sassenach?«, fragte Jamie gedankenverloren, während er weiter meinen Bauch streichelte.
Ich mußte einen Augenblick nachdenken, ehe es mir wieder einfiel.
»Henry«, antwortete ich. »Henry Montmorency Beauchamp. Aber, Jamie, ich will mein Kind wirklich nicht ›Montmorency
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