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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einen Fremden«, bemerkte Mutter Hildegarde. »Bouton ist nicht nur den Ärzten, sondern auch dem Pförtner behilflich - und erntet dafür genausowenig Dank, fürchte ich.«
    Ein nachdrückliches Bellen und eine hohe, erschrockene Stimme hallten durch den Eingangsflur.
    »Oje, es ist wieder Vater Balmain! Dieser Dummkopf, kann er denn nicht stillstehen, bis Bouton ihn beschnüffelt hat?« Mutter Hildegarde war schon im Begriff, ihrem vierbeinigen Freund zu
Hilfe zu eilen, dann wandte sie sich noch einmal mit einem aufmunternden Lächeln zur mir um. »Vielleicht schicke ich Ihnen Bouton zur Unterstützung, Madame, während ich Vater Balmain beruhige. Er ist gewiß ein frommer Mensch, aber er weiß die Arbeit eines Künstlers nicht zu schätzen.«
    Mit langen, gemessenen Schritten begab sie sich zur Pforte, und nachdem ich noch ein paar Worte mit dem Fuhrmann gewechselt hatte, wandte ich mich Schwester Cecile und ihrem neuesten Fall zu.
     
    Als ich nach Hause kam, lag Jamie auf dem Wohnzimmerteppich, und neben ihm saß ein kleiner Junge im Schneidersitz. Jamie hatte ein Fangbecherspiel in der einen Hand, mit der anderen hielt er sich ein Auge zu.
    »Klar kann ich das«, sagte er. »Ist doch kinderleicht. Paß auf.«
    Mit dem offenen Auge fixierte er den elfenbeinernen Fangbecher, dann gab er ihm einen Stoß. Der an einer Schnur befestigte Ball sprang heraus und flog in hohem Bogen durch die Luft, ehe er, wie von Radar gelenkt, mit einem »Plopp« wieder im Becher landete.
    »Siehst du?« sagte er und nahm die Hand vom Auge. Dann setzte er sich auf und reichte dem Jungen das Spielzeug. »Hier, versuch du es mal.« Er grinste mich an, schob eine Hand unter meinen Rock und tätschelte zur Begrüßung meinen Knöchel.
    »Na, vergnügst du dich?« fragte ich.
    »Noch nicht«, erwiderte er und zwickte mich leicht durch den Seidenstrumpf hindurch. »Ich habe auf dich gewartet, Sassenach.« Die langen, warmen Finger glitten höher und streichelten spielerisch meine Wade, während ein wasserklares, blaues Augenpaar in aller Unschuld zu mir hochblickte. Ein Schmutzstreifen zog sich über seine eine Gesichtshälfte, und auf seinem Hemd und seinem Kilt waren Dreckspritzer.
    »Tatsächlich?« meinte ich und versuchte, ihm mein Bein unauffällig zu entwinden. »Dabei hätte ich gedacht, dein kleiner Spielkamerad genügt dir vollauf.«
    Der Junge, der unsere auf englisch geführte Unterhaltung nicht verstand, war völlig in das Fangbecherspiel vertieft, das er mit einem geschlossenen Auge zu meistern versuchte. Nach zwei fehlgeschlagenen Anläufen starrte er das Spielzeug wütend an. Dann
schloß er das eine Auge wieder, allerdings nicht ganz: Durch einen kleinen Spalt lugte unter dichten, dunklen Wimpern ein aufmerksames Auge.
    Jamie schnalzte mißbilligend mit der Zunge, und hastig kniff der Junge das Auge zu.
    »Aber, aber, Fergus, wir wollen doch bitte schön nicht schummeln«, sagte er. Der Knabe kannte zwar die Worte nicht, erfaßte aber offenbar ihren Sinn. Sein betretenes Grinsen enthüllte zwei große, makellos weiße Eichhörnchenzähne.
    Jamies Hand übte einen unsichtbaren Druck aus, so daß ich näher zu ihm rücken mußte, wenn ich in meinen hochhackigen Saffianschuhen nicht das Gleichgewicht verlieren wollte.
    »Ja«, sagte er, »unser Fergus hier ist ein begabter Kerl und ein lustiger Kumpan für müßige Stunden, wenn ein von seiner Frau vernachlässigter Mann Kurzweil in der lasterhaften Stadt sucht«, seine Finger kraulten meine Kniekehlen, was ein wenig kitzelte, »doch er eignet sich nicht für die Art von Vergnügung, die mir vorschwebt.«
    »Fergus?« Während ich das Kribbeln am Bein zu ignorieren versuchte, musterte ich das Kind in den abgetragenen, viel zu großen Kleidern. Es mochte neun oder zehn Jahre alt sein, war klein für sein Alter und feingliedrig wie ein Frettchen. Die Gesichtszüge des Knaben waren typisch französisch, und an der blassen, fahlen Haut und den großen, dunklen Augen erkannte man das Pariser Gassenkind.
    »Na ja, eigentlich heißt er Claudel, aber wir sind zu dem Schluß gekommen, daß das nicht sehr männlich klingt, deshalb rufen wir ihn jetzt Fergus. Das ist ein passender Kriegername.« Bei der Erwähnung seines Namens sah uns der Junge mit einem schüchternen Lächeln an.
    »Das ist Madame«, erklärte Jamie dem Kind und deutete auf mich. »Du kannst sie Herrin nennen. Ich glaube, ›Broch Tuarach< würde er nicht über die Lippen bringen«, wandte er sich an mich,«nicht mal

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