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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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allen Einzelheiten das Hôpital des Anges und seine Patienten schilderte.
    »In manchen Krankensälen geht es sehr eng zu - zwei, drei Leute in einem Bett, es ist schrecklich, aber... willst du nichts davon?« unterbrach ich mich. »Es ist sehr gut.«
    Er betrachtete das Kuchenstück, das ich ihm hinhielt.

    »Doch, wenn du warten kannst, bis der Bissen im Magen angekommen ist, bevor du wieder von brandigen Zehennägeln erzählst...«
    Erst jetzt bemerkte ich seine leichte Blässe und die zusammengekniffenen Nasenflügel. Ich schenkte ihm einen Becher Wein ein, ehe ich mich wieder meinem Teller widmete.
    »Und wie war dein Tag, Schatz?« erkundigte ich mich höflich.
     
    Das Hôpital des Anges wurde ein Zufluchtsort für mich. Die offene, ungekünstelte Art der Nonnen und Patienten stand in einem erfrischenden Gegensatz zu der ständig brodelnden Gerüchteküche der Höflinge. Außerdem war ich überzeugt, daß sich mein Gesicht in kürzester Zeit in eine hohle, affektierte Maske verwandeln würde, wenn ich nicht wenigstens im Spital Gelegenheit gehabt hätte, normal und unverkrampft dreinzuschauen.
    Da ich sachverständig wirkte und nichts verlangte außer etwas Verbandsstoff und Leintücher, wurde ich von den Nonnen bald akzeptiert. Und auch von den Patienten, nachdem sie ihren ersten Schrecken über meinen Akzent und meinen Namen überwunden hatten. Gesellschaftliche Vorurteile sind nicht zu unterschätzen, werden aber rasch abgelegt, wenn ein dringender Bedarf an Fachkräften herrscht.
    Die geschäftige Mutter Hildegarde ließ sich etwas mehr Zeit, bis sie sich ein Bild von mir gemacht hatte. Anfangs redete sie gar nicht mit mir, abgesehen von einem »Bonjour, Madame« im Vorübergehen. Doch ich spürte oft, wie sich ihr stechender Blick in meinen Rücken bohrte, wenn ich mich beispielswiese über einen Mann mit Gürtelrose beugte oder einem Kind, das bei einem der zahlreichen Hausbrände in den ärmeren Stadtvierteln Verbrennungen erlitten hatte, Aloesalbe auf die Blasen auftrug.
    Mutter Hildegarde schien zwar nie in Eile zu sein, legte aber jeden Tag eine beachtliche Strecke zurück. Mit Schritten von beinahe einem Meter Länge bewegte sie sich über die glatten grauen Fliesen der Krankensäle, gefolgt von ihrem kleinen weißen Hund Bouton, der bei diesem Tempo kaum mithalten konnte.
    Mit den flauschigen Schoßhündchen, die bei den Hofdamen so beliebt waren, hatte Bouton nichts gemein. Er erinnerte entfernt an eine Mischung aus einem Pudel und einem Dackel, hatte rauhes, krauses Fell und kurze, krumme Beine. Seine Pfoten mit den
schwarzen Nägeln klickten auf dem Steinboden, wenn er hinter Mutter Hildegarde hertrottete und mit seiner spitzen Schnauze beinahe die Enden ihres langen schwarzen Habits berührte.
    »Ist das ein Hund?« hatte ich erstaunt einen Pfleger gefragt, als ich Bouton das erstemal sah.
    Der Mann, der gerade den Boden wischte, hielt inne und sah dem Ringelschwanz hinterher, der soeben in einem Krankensaal verschwand.
    »Nun«, meinte er zweifelnd, »wenn Mutter Hildegarde sagt, es ist ein Hund, möchte ich nichts Gegenteiliges behaupten.«
    Als ich mich mit den Nonnen, Pflegern und Ärzten des Spitals etwas angefreundet hatte, bekam ich eine Vielzahl anderer Meinungen über Bouton zu hören, die von Toleranz bis zu Aberglauben reichten. Niemand wußte genau, wie Mutter Hildegarde zu dem Tier gekommen war. Es gehörte schon seit einigen Jahren zum festen Personal des Spitals und stand in der Hierarchie deutlich über den Krankenschwestern und auf gleicher Stufe wie die meisten Ärzte und Apotheker - zumindest nach Mutter Hildegardes Ansicht, die ausschlaggebend war.
    Manche Ärzte reagierten auf Bouton mit mißtrauischer Abneigung, andere mit jovialer Freundlichkeit. Ein Wundarzt pflegte ihn als »widerliche Ratte« zu bezeichnen, sobald Mutter Hildegard außer Hörweite war. Ein anderer nannte ihn einen »stinkenden Hasen«, und ein kleiner, rundlicher Bruchbandhersteller begrüßte ihn ganz unverhohlen als »Monsieur Spüllappen«. Für die Nonnen war er so etwas wie ein Maskottchen. Der Priester von der Kathedrale nebenan, der den Patienten die Sakramente erteilte und von Bouton einmal gebissen worden war, vertraute mir an, das Tier sei ein Dämon in Hundegestalt.
    Obwohl das Urteil des Priesters wenig schmeichelhaft war, schien es mir doch der Wahrheit am nächsten zu kommen. Denn nachdem ich die beiden ein paar Wochen lang beobachter hatte, gelangte ich zu der Überzeugung, daß Bouton

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