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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Amerika eingeschifft. Vier starben etwa ein Jahr später eines natürlichen Todes - nicht weiter überraschend, wenn man bedenkt, daß nach der Schlacht eine verheerende Hungersnot ausbrach, die in den Highlands zahlreiche Opfer gefordert hat. Und den hier habe ich in einem Taufregister gefunden - allerdings nicht dem seiner Heimatgemeinde. Trotzdem bin ich sicher, daß es sich um einen Ihrer Männer handelt.«
    Erst als sie erleichtert die Schultern sinken ließ, merkte er, wie angespannt sie gewesen war.
    »Soll ich nach den anderen weiterforschen?« fragte er und hoffte, daß die Antwort »ja« lauten würde. Über ihre Mutter hinweg warf er Brianna einen Blick zu. Sie stand halb abgewandt neben der Korkwand, als würde Claires Projekt sie nicht interessieren, doch er sah, daß sich zwischen ihren Brauen eine Falte eingegraben hatte.

    Vielleicht fühlte auch sie diese seltsame unterdrückte Erregung, die Claire wie ein elektrisches Feld umgab. Er hatte es schon gespürt, als Claire den Raum betrat, und durch seine Enthüllungen hatte es sich nur noch verstärkt. Bei einer zufälligen Berührung, stellte er sich vor, würde ein Funken statischer Elektrizität auf ihn überspringen.
    Das Klopfen an der Tür riß ihn aus seinen Gedanken. Fiona Graham trat ein und schob einen Teewagen vor sich her, auf dem eine Teekanne, Tassen auf Zierdeckchen, drei Sorten belegter Brote, Sahnetorte, Biskuitkuchen, Marmeladenschälchen und Hörnchen mit dicker Sahne angerichtet waren.
    »Lecker!« freute sich Brianna angesichts dieses Angebots. »Ist das alles für uns oder kommen gleich noch zehn Gäste?«
    Claire blickte lächelnd auf die aufgetischten Speisen. Das elektrische Feld umgab sie noch immer, nur war es, wahrscheinlich aufgrund beträchtlicher Anstrengungen, etwas gedämpft. Roger sah, daß sie eine Hand so fest um eine Falte ihres Rockes klammerte, daß die Ringe ihr ins Fleisch schnitten.
    »Wenn wir das alles vertilgen, brauchen wir wochenlang nichts mehr zu essen«, erklärte sie. »Es sieht sehr verlockend aus.«
    Fiona strahlte. Sie war klein, rund und hübsch wie eine braune Henne. Roger seufzte innerlich. Zwar war er froh, seinen Gästen eine angemessene Erfrischung anbieten zu können, doch er wußte nur zu genau, daß die üppige Ausstattung des Mahls darauf abzielte, ihn zu beeindrucken, und nicht die beiden Frauen. Mit ihren neunzehn Jahren hatte die kleine Fiona ein festes Ziel vor Augen. Sie wollte heiraten. Am liebsten einen Mann, der mit beiden Beinen im Berufsleben stand. Sie hatte Roger bei seiner Ankunft vor einer Woche kaum gesehen, da war sie auch schon zu dem Schluß gekommen, daß ein Geschichtsdozent der beste Fang sein würde, den sie in Inverness erwarten konnte.
    Seitdem hatte sie ihn gestopft wie eine Weihnachtsgans, seine Schuhe gewienert, seine Zahnbürste bereitgelegt, sein Bett gelüftet, seinen Mantel ausgebürstet, ihm die Abendzeitung gekauft und neben seinen Teller gelegt, ihm den Nacken massiert, wenn er bis spätnachts am Schreibtisch saß, und sich unentwegt nach seinem Wohlergehen, seiner Gemütsverfassung und seinem Gesundheitszustand erkundigt. Noch nie zuvor war er soviel geballter Häuslichkeit ausgesetzt gewesen.

    Kurz gesagt, Fiona trieb ihn in den Wahnsinn.
    Die Vorstellung, mit Fiona Graham in den heiligen Stand der Ehe zu treten, trieb ihm den kalten Angstschweiß auf die Stirn. Spätestens nach einem Jahr wäre er reif fürs Irrenhaus. Abgesehen davon gab es noch Brianna Randall, die gerade nachdenklich auf den Teewagen starrte, als würde sie überlegen, womit sie beginnen sollte.
    Bisher hatte er sich ausschließlich auf Claire und ihr Vorhaben konzentriert und jeden Blick auf ihre Tochter vermieden. Claire war hübsch; mit ihren zarten Gliedern und der durchscheinenden Haut würde sie mit sechzig noch ebenso ansprechend aussehen wie mit zwanzig. Doch es war der Anblick Briannas, der ihm den Atem raubte.
    Sie hatte das Auftreten einer Königin und sank nicht in sich zusammen wie andere großgewachsene Mädchen. Wenn er den geraden Rücken und die anmutigen Bewegungen ihrer Mutter betrachtete, wußte er, woher sie ihre Haltung hatte. Anders verhielt es sich mit der außergewöhnlichen Größe und der Fülle des taillenlangen, mit Kupfer-und Goldfäden durchsetzten, in Bernstein und Zimt auffunkelnden Haares, das ihr in sanften Wellen auf die Schultern fiel. Und mit den blauen Augen, die so dunkel schimmerten, daß sie bei bestimmtem Licht beinahe schwarz aussahen. Und

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