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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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beugte ich mich den Überredungskünsten der besorgten Marguerite und legte mich ins Bett, konnte aber nicht wieder einschlafen. Jedes Geräusch von draußen ließ mich aufschrecken, jeder Schritt auf dem Bürgersteig ließ mich hoffen, gleich Jamies Stimme in der Eingangshalle zu hören. Das Gesicht des Comte de St. Germain drängte sich hartnäckig zwischen mich und den Schlaf. Er war der einzige Angehörige des französischen Adels, der Verbindung zu Charles Stuart pflegte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war ihm der Anschlag zuzuschreiben, den man auf Jamie - und auch mich - verübt hatte. Es war allgemein bekannt, daß er sich mit zwielichtigen Gestalten umgab. Hatte er dafür gesorgt, daß Jamie und Charles aus dem Weg geschafft worden waren? Ob aus politischen oder persönlichen Gründen spielte im Augenblick keine Rolle.
    Als schließlich aus der Halle Schritte zu vernehmen waren, war ich so sehr damit beschäftigt, mir auszumalen, wie Jamie mit aufgeschlitzter Kehle in der Gosse lag, daß ich ihn erst bemerkte, als sich die Schlafzimmertür öffnete.
    »Jamie!« Mit einem Freudenschrei setzte ich mich auf.
    Er lächelte mich an und gähnte mit weitaufgerissenem Mund, so daß ich bis tief hinab in seinen Schlund blicken und mich davon überzeugen konnte, daß seine Kehle unversehrt war. Ansonsten sah er jedoch erbärmlich aus. Er ließ sich neben mich aufs Bett fallen und dehnte sich genüßlich, bevor er sich seufzend ausstreckte.
    »Was ist geschehen?« wollte ich wissen.
    Er öffnete ein blutunterlaufenes Auge.
    »Ich brauche ein Bad«, erklärte er und schloß das Auge wieder.
    Vorsichtig schnuppernd schob ich mich ein wenig näher an ihn heran. Der vertraute Geruch nach verrauchten Räumen und feuchter Wolle stieg mir in die Nase, begleitet von einer erstaunlichen Mischung aus Ale, Wein, Whisky und Weinbrand - Getränke, die zu den Flecken auf seinem Hemd paßten. Doch damit nicht genug- das Ganze wurde vom Duft eines unvergleichlich aufdringlichen und abstoßenden billigen Parfums überlagert.
    »Das stimmt!« pflichtete ich ihm bei. Ich kletterte aus dem Bett,
steckte den Kopf zur Türe hinaus und rief nach Marguerite. Ich bat sie, eine Sitzwanne zu holen und diese mit ausreichend Wasser zu füllen. Außerdem sollte sie noch einige der feinen, nach Rosenöl duftenden Seifenstücke mitbringen, die mir Bruder Ambrosius zum Abschied geschenkt hatte.
    Nachdem das Mädchen die beschwerliche Arbeit in Angriff genommen hatte, die riesigen, kupfernen Kannen mit warmem Wasser herbeizuschaffen, widmete ich mich dem Wrack auf dem Bett.
    Ich streifte ihm Schuhe und Strümpfe ab, löste die Spange seines Kiltes und öffnete ihn. Unwillkürlich führte Jamie seine Hand zwischen die Beine. Aber mein Blick fiel auf eine andere Stelle.
    »Was, um alles in der Welt, ist geschehen?« fragte ich abermals.
    Über die blasse Haut seiner Schenkel zogen sich mehrere tiefrote lange Kratzer. In Höhe des Beinansatzes waren Abdrücke zu erkennen, die eindeutig von Zähnen herrührten.
    Während das Zimmermädchen heißes Wasser in die Wanne schüttete, warf sie einen interessierten Blick auf die verräterischen Male und sah sich genötigt, eine Bemerkung beizusteuern.
    »Un petit chien ?« fragte sie. Ein kleiner Hund? Oder etwas anderes. Zwar waren mir die Redewendungen jener Zeit bei weitem noch nicht vertraut, ich wußte jedoch, daß sich les petits chiens häufig geschminkt und auf zwei Beinen in den Straßen herumtrieben.
    »Hinaus!« befahl ich ihr herrisch auf französisch, woraufhin sie leise schmollend die Kannen in die Hand nahm und das Zimmer verließ. Ich drehte mich wieder zu Jamie um. Er hob kurz ein Lid und warf einen Blick auf mein Gesicht.
    »Nun?« hakte ich nach.
    Statt zu antworten, zitterte er nur. Nach einer Weile setzte er sich auf, um sich mit den Händen das Gesicht zu reiben, wobei ein kratzendes Geräusch entstand. Zweifelnd zog er eine Augenbraue hoch. »Ich kann mir kaum vorstellen, daß eine wohlerzogene junge Dame wie du mit der Nebenbedeutung des Ausdrucks soixante-neuf vertraut ist.«
    »Sie ist mir nicht unbekannt«, erklärte ich, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihm leicht mißtrauisch in die Augen. »Und darf ich fragen, wo du die Bekanntschaft dieser außergewöhnlichen Nummer gemacht hast?«
    »Eine Dame, die ich vergangene Nacht kennengelernt habe, hat sie mir eindringlich ans Herz gelegt.«

    »War das vielleicht dieselbe Dame, die dich in den Oberschenkel gebissen

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